[27.07.2009] - Tagesecho - Till Janzer
Linke Avancen: Die tschechischen Kommunisten wollen mit den Sozialdemokraten
Knapp 20 Jahre sind seit dem Sturz des kommunistischen Regimes vergangenen
- und die tschechischen Kommunisten überlegen, wie sie wieder an die Macht
kommen können. Die Idee ist, sich für eine Zusammenarbeit mit den
Sozialdemokraten nach den vorgezogenen Neuwahlen im Herbst hübsch zu
machen. Deswegen bieten sie an, sich nach 1989 ein zweites Mal für ihre
totalitäre Vergangenheit zu entschuldigen. Patrick Gschwend hat dazu mit
Till Janzer gesprochen.
Till, wie soll das gehen, wie wollen sich die Kommunisten den
Sozialdemokraten andienen?
„Vorausschicken sollte man, dass die Kommunisten derzeit die
drittstärkste Kraft im Abgeordnetenhaus sind und in den Wahlumfragen bei
um die 15 Prozent liegen. Bisher haben alle anderen Parlamentsparteien
jedoch eine Zusammenarbeit mit ihnen auf Regierungsebene abgelehnt. Nun hat
der kommunistische Parteichef Vojtěch Filip in einem Interview für die
Zeitung Hospodářské noviny gesagt, dass man eine Zusammenarbeit der
Linken anstrebe. Und weiter: Falls die Hürde für eine Zusammenarbeit in
einer Entschuldigung für das Regime von 1948 bis 1989 liege, dann sei man
bereit, sich erneut zu entschuldigen. Kurz vor Weihnachten 1989 hatte sich
die damalige Führung der tschechischen, nicht der tschechoslowakischen
Kommunisten, bei einem Sonderparteitag für die 40 Jahr zuvor entschuldigt.
Allerdings war es eine halbherzige Geste, die zwar allgemein eine
Entschuldigung an die Opfer enthält, aber auch einiges ausspart. So wird
beispielsweise mit keinem Wort erwähnt, dass mehrere Tausend Menschen das
Unrecht mit ihrem Tod bezahlen mussten, geschweige denn, dass sich dafür
entschuldigt wird.“
Wie haben denn die Sozialdemokraten auf das Angebot reagiert?
„Es gab bis Montagmittag nur eine Reaktion des stellvertretenden
sozialdemokratischen Vorsitzenden Zdeněk Škromach. Er lehnt auch im Fall
einer erneuten Geste eine Zusammenarbeit mit den Kommunisten ab und
verweist dabei auf den so genannten Bohumíner Beschluss. Mit diesem
Beschluss hatten die Sozialdemokraten 1995 jegliche Zusammenarbeit mit
extremistischen Parteien ausgeschlossen und dabei ausdrücklich die KSČM,
also die heutigen tschechischen Kommunisten, genannt.“
Aber eine Ebene unterhalb der gesamtstaatlichen gibt es doch bereits eine
Zusammenarbeit von Sozialdemokraten und Kommunisten. Nach den Kreiswahlen
im vergangenen Jahr haben beide Parteien in zwei Kreisen die Besetzung im
jeweiligen Kreisrat unter einander aufgeteilt…
„Und in vier weiteren Kreisen gibt es eine stille Übereinkunft. Genau
das wird gerade dem sozialdemokratischen Parteichef Jiří Paroubek immer
wieder vorgeworfen, dass in der Realität seine Partei sich ja durchaus
bereits recht gut mit den Kommunisten arrangieren kann. So hat Paroubek im
April vergangenen Jahres gesagt, dass beispielsweise eine
sozialdemokratische Minderheitsregierung unter Duldung der Kommunisten
etwas anderes sei als eine Zusammenarbeit. Auch hat ab 2005 die damalige
Koalitionsregierung unter Paroubeks Führung einige Gesetze mit
Unterstützung der Kommunisten verabschiedet. Man muss zugleich sagen, dass
auch andere Parteien zur Not auf ihre Grundsätze pfeifen. 2003 stützten
sich die Bürgerdemokraten auf die Kommunisten, um Václav Klaus zum
Staatspräsidenten zu machen. Über die Hintertür schaffen es also die
Kommunisten tatsächlich, ihre Position als drittstärkste Kraft im Land
auszuspielen. Für die anstehenden vorgezogenen Neuwahlen im Oktober planen
aber die Sozialdemokraten den bisherigen Medienberichten nach, eher in der
politischen Mitte als auf der Linken nach weiteren Wählern zu suchen. Ein
Liebäugeln mit den Kommunisten kommt ihnen derzeit also nicht gerade
gelegen.“
Source: Czech Radio 7, Radio Prague
URL: http://www.radio.cz/de/artikel/118695
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