[16.07.2009] - Tagesecho - Christian Rühmkorf, Katja Schickel
Das Theresienstädter Tagebuch von Eva Roubíčková erscheint auf Tschechisch
Das Tagebuch von Eva Mändl-Roubičková beginnt am 1. Januar 1941 und
endet am 5. Mai 1945. Die deutschsprachige Jüdin hatte zuvor eine
glückliche Kindheit im Sudetengebiet verlebt. Die von den
Nationalsozialisten entfachte Pogromstimmung vertreibt die Familie nach
Prag. Schließlich werden Eva und ihre Eltern in Theresienstadt
inhaftiert.
Über diese Zeit berichtet ihr Tagebuch. Es sind intime Aufzeichnungen
einer grausamen Zeit.
„Ich hatte keine Ahnung, was ich eigentlich gemacht hatte und warum
ich
mich von ihnen unterscheide. Also, das war eine große Enttäuschung. Aber
dann hat sich das Verhältnis dort so verschlechtert, dass es dann langsam
so aussah, dass wir nicht mehr dort existieren können. Also sind wir für
ein paar Tage nach Prag geflüchtet.“
Aus den paar Tagen, für die sie die Stadt Saaz im Sudetengebiet verlassen
wollten, wurde eine lange Zeit. Als deutschsprachige Jüdin in der
Tschechoslowakei im Jahr 1938 saß die junge Eva Mändl zwischen allen
Stühlen – in Prag lebten sie und ihre Eltern wie Flüchtlinge. Dann kam
das Münchner Abkommen, ein halbes Jahr später die deutsche Okkupation.
Der Rückweg in die Normalität war abgeschnitten. Als Juden wurden sie
aus
dem öffentlichen Raum verbannt, einen Alltag gab es nicht mehr. Nach
einer
Lehre bei einer Hutmacherin, will niemand Eva einstellen.
„Ich hatte immer das Gefühl, ich muss mich jemand anvertrauen,
also
habe ich mich dem Tagebuch anvertraut.“
Ihre Aufzeichnungen sind kurze präzise Protokolle der Entwürdigung, der
Drangsalierung, des Widerstands. Später schreibt sie über die extremen
Lebensbedingungen im KZ Theresienstadt, wohin Eva und ihre Eltern gebracht
werden - über die Beschaffung von Lebensmitteln, über Not und Willkür,
die Angst vor den Transporten nach Polen. Ihre Eltern können dem
Transport
in den Tod nicht entkommen. Eva überlebt. Und damit kann sie sich nach
dem
Krieg, als sie nach Prag zurückkehrt, erst nicht abfinden. Allein
zurückgeblieben hilft sie dem Schicksal auf die Sprünge und findet nach
langen sechs Jahren ihren Verlobten wieder. Ein unfassbares Glück. Sie
heiraten und haben zwei Kinder. Auch das Tagebuch hat Lager und Krieg
überlebt. Eva zeigte es aber niemandem. Vor allem ihre Kinder wollte sie
damit nicht belasten und versteckte es:
Dann haben sie einmal Weihnachtsgeschenke im Wäscheschrank gesucht
und
die Bücher, die Hefte gefunden. Das war ja alles in deutscher
Stenografie,
das konnte niemand lesen. Mein Mann hatte damals Interesse und hat mich
gefragt, kannst du mir das vorlesen.
Eva Mändl-Roubičková diktierte ihm das Tagebuch. 1998 kam es in den USA
heraus,
2007 unter dem Titel „Allmählich gewöhnen wir uns an das Ghettoleben
– Tagebuch aus Theresienstadt“ erscheint es in Deutschland. Und vor
einem
Monat kam auch eine tschechische Ausgabe heraus.
„Ich habe lange keine Lust gehabt, es zu veröffentlichen. Es war
sehr
persönlich, nie bestimmt für die Öffentlichkeit, aber jetzt glaube ich,
vielleicht ist es wichtig, dass die weiteren Generationen nicht
vergessen.“
Eva Roubíčková lebt seit 1945 in Prag und feiert am Donnerstag ihren
88. Geburtstag.
Buchausgaben:
Eva Roubíčková, Terezínský Deník; Praha 2009, 180 S., Verlag
Nakladatelství P3K
Eva Mändl-Roubíčková, Langsam gewöhnen wir uns an das Ghettoleben –
Ein
Tagebuch aus Theresienstadt, Hamburg 2007, 240 S., Konkret Literaturverlag
Source: Czech Radio 7, Radio Prague
URL: http://www.radio.cz/de/artikel/118368
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