[23.06.2009] - Aus dem Tonarchiv - Patrick Gschwend
Juni 1939 – Späte Demonstration der nationalen Einheit unter der Nazi-Besatzung
Es war eine schwierige Zeit für die Tschechen im Sommer des Jahres 1939.
Ihr Land war besetzt. Die Nazis hatten im März des Jahres das Protektorat
Böhmen und Mähren ausgerufen. Exil-Tschechen in aller Welt waren in
größter Sorge um ihre alte Heimat. An sie richtete sich im Juni 1939 der
tschechische Adelige František Schwarzenberg mit einer Radio-Ansprache.
„Liebe Landsleute! Die Radiowellen, die über Täler und Berge
übertragen werden, über alle Grenzen, diese Radiowellen bringen Euch
heute Grüße aus Prag mit den Klängen tschechischer Lieder. Lieder
drücken unsere Grüße besser aus, als man es mit den schönsten Worten
sagen könnte.“
Mit schwülstigen Worten richtete sich der tschechische Adelige František
Schwarzenberg am 17. Juni 1939 an die Tschechen im Exil. František
Schwarzenberg war der Onkel des heutigen tschechischen Senators und
früheren Außenministers Karel Schwarzenberg. Seine Radioansprache richtet
er in erster Linie an die Landsleute in den USA. Die dürften über die
Ereignisse in ihrer alten Heimat mehr als besorgt gewesen sein. Drei
Monaten zuvor, im März, war die Tschechoslowakei von Hitler-Deutschland
besetzt und das Protektorat Böhmen und Mähren ausgerufen worden, ein
Pseudostaat von Hitlers Gnaden. Auch dies mag der Grund gewesen sein, warum
Schwarzenberg mehr Musik als Worte sprechen lassen wollte. Trotz
erschreckend schlechter Tonqualität erreichten die Exil-Tschechen aber
zumindest Schwarzenbergs wichtigste Worte:
„Wir alle, und besonders unsere Regierung, haben so viele
unterschiedliche Aufgaben, dass es Euch manchmal erscheinen mag, als
würden wir uns nicht um Euch kümmern. Wir vergessen Euch aber nie!“
Der Zusammenhalt aller Tschechen sollte beschworen werden. Deshalb ließ
man in einer weiteren Ansprache, genau eine Woche später, einen Vertreter
der Arbeiterklasse zu Wort kommen. Der Mann hieß František Lasík und
stand, wie er sagt, zum ersten Mal vor einem Mikrofon. Aber dort stand er
nicht allein:
„Ich stehe am Mikrofon neben dem Vertreter des tschechischen Adels, Dr.
Schwarzenberg. Wir beide, teure Landsleute, teilen die gleichen Interessen
und die gleichen Sehnsüchte. Wir stellen Euch die Einheit der
tschechischen Nation vor, die – wer auch immer dies anzweifeln sollte –
ehrlich und dauerhaft ist. So stehen wir also alle zusammen in der Nation,
und als Einziges tut mir leid, dass es zu dieser Einheit von Herz und Hand
nicht schon früher gekommen ist.“
In der Tat erfolgte dieser Schulterschluss spät: zu spät. Das Bestreben,
den Fortbestand der tschechischen Nation unter dem Naziterror der
Protektoratszeit zu demonstrieren, konnte zunächst nur psychologischen
Charakter haben. Das wusste wohl auch František Schwarzenberg.
„Denkt an uns, wie auch wir an Euch denken, unsere Brüder im
Ausland!“
Schwarzenberg selbst diente zu dieser Zeit dem Präsidenten der
Pseudoregierung des Protektorats, Emil Hácha, als persönlicher Assistent.
Er weigerte sich jedoch Hitler den Treueid zu schwören und schloss sich im
Geheimen dem Widerstand an. So hielt er Verbindung zur Exilregierung von
Edvard Beneš in London aufrecht. Beim Aufstand gegen die Besatzer am 5.
Mai 1945 soll František Schwarzenberg selbst mit der Waffe in der Hand
gekämpft haben. Nach der Befreiung der Tschechoslowakei diente er dem Land
als Botschafter beim Vatikan in Rom. Nach der Machtergreifung der
Kommunisten in der Tschechoslowakei im Februar 1948 ging Schwarzenberg
selbst in die USA ins Exil. Von dort aus wirkte er an der Bekämpfung der
kommunistischen Diktatur mit, deren Ende er noch miterlebte. Am 9. März
1992 starb František Schwarzenberg in Österreich.
Source: Czech Radio 7, Radio Prague
URL: http://www.radio.cz/de/artikel/117593
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