[26.05.2009] - Aus dem Tonarchiv - Till Janzer
Innenminister Černý verurteilt Wahlkampagne der SdP vor den Wahlen 1935
Im Mai 1935 werden in der Tschechoslowakei Parlamentswahlen abgehalten. Die
Sudetendeutsche Partei (SdP) von Konrad Henlein richtet ihren Wahlkampf
gegen die tschechoslowakische Regierung aus. Unter anderem wirft sie dem
Koalitionskabinett vor, nicht genügend gegen die Folgen der
Wirtschaftskrise zu tun, und das vor allem in den Sudetengebieten, die von
der Krise besonders betroffen sind. Kurz vor den Wahlen spricht
Innenminister Josef Černý in den deutschsprachigen Sendungen des
Tschechischen Rundfunks.
Innenministers Josef Černý spricht am 15. Mai 1935 zu den Deutschen in
der Tschechoslowakei. Er sagt:
„Vor mir liegt ein elegant ausgestattetes vierfarbiges Flugblatt auf
satiniertem Papier, wie es sich nur gut Situierte zu leisten vermögen. In
Wort und Bild schmettert es uns die Anklage entgegen: ´Jetzt Schluss! 16
Jahre habt Ihr geredet, nun werden wir handeln! ´ Das ist wahrlich ein
kühnes Wort.“
Das Flugblatt auf dem Schreibtisch von Innenminister Josef Černý hat die
Sudetendeutsche Partei verfasst. Deren Parteichef Konrad Henlein macht mit
der wirtschaftlichen Notlage in den deutsch besiedelten Grenzgebieten
Stimmung gegen die Regierungspolitik. In den Sudetengebieten lag die
Arbeitslosigkeit in Folge der Weltwirtschaftskrise zweieinhalb Mal höher
als in den mehrheitlich tschechisch besiedelten Gebieten. In seiner Rede
geht Černý auf diesen besonderen Umstand nicht ein, er spricht aber über
die Krise. Und er spricht von den schweren Aufgaben für die Regierung,
gegen Folgen der Krise wie die Massenarbeitslosigkeit anzugehen.
„Diesen Aufgaben ist die Regierung aus dem Gefühl der
Verantwortlichkeit heraus, das sie in den zurückliegenden Jahren in keinem
Augenblicke verließ, in weitestgehendem Maße gerecht geworden“, glaubt
Josef Černý.
Nun zählt der Innenminister einzelne Maßnahmen auf, welche die
verschiedenen tschechoslowakischen Regierungen in den Jahren seit Beginn
der Weltwirtschaftskrise 1929 ergriffen haben. Unter anderem seien drei
Milliarden Kronen für die Unterstützung Arbeitsloser ausgegeben worden,
zählt der Politiker zusammen. Der Sudetendeutschen Partei wirft er
hingegen vor, kein Konzept zum Kampf gegen die Krise zu haben:
„Doch was vermögen die Flugblattverfasser Anderes und Besseres zu
bieten? Bar jedes neuen schöpferischen Gedankens, bar jeder
wirtschaftlichen und finanzpolitischen Idee, bar jedes sozialen und
sozialpolitischen Programms und lediglich gestützt auf die durch
Jahrzehnte abgeleierte und abgenutzte Phrase von der Volksgemeinschaft, die
ihr einziges geistiges Frust-Rüstzeug und ihr ausschließliches
programmatisches Inventar ist, werfen sie sich zu Nothelfern des deutschen
Volkes auf, das sie zu ihrem Versuchskaninchen machen wollen.“
Zum Schluss spricht Černý eine Wahlempfehlung aus. Doch er wirbt nicht
etwa für seine Partei, die tschechischen Agrarier, sondern für seinen
sudetendeutschen Partner in der Regierungskoalition:
„Die arbeitenden Menschen unseres Staates werden in dieser harten Zeit
sicher nicht irre gehen und sich zur deutschen Sozialdemokratie
schlagen“, so der Innenminister.
Doch es kommt anders: Vier Tage nach Černýs Rede schreiten die
tschechoslowakischen Bürger zu den Urnen, zwei Drittel der
Deutschstämmigen wählen Henleins Sudetendeutsche Partei. Die deutschen
Sozialdemokraten brechen hingegen ein. Nur mit Not entsteht erneut eine
breite Regierungskoalition unter der Führung der Agrarier.
Source: Czech Radio 7, Radio Prague
URL: http://www.radio.cz/de/artikel/116646
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