[18.05.2009] - Schauplatz - Gerald Schubert
Österreichischer Bundespräsident Heinz Fischer in Prag: Neues und weniger Neues
Am Donnerstag und Freitag hielt sich der österreichische Bundespräsident
Heinz Fischer, begleitet von einer hochkarätigen Delegation aus Wirtschaft
und Politik, zu einem Staatsbesuch in Prag auf. Die Visite fiel in eine
politisch nicht gerade ruhige Zeit: Außer den bilateralen Fragen zwischen
Tschechien und Österreich gab es diesmal noch eine ganze Reihe anderer
Themen zu besprechen, etwa den jüngsten Regierungswechsel in Prag oder das
weitere Schicksal des EU-Reformvertrags von Lissabon.
Die Visite sei lange im Voraus geplant gewesen, ebenso der Ordensaustausch
mit dem tschechischen Präsidenten Václav Klaus. Das betonte die
österreichische Präsidentschaftskanzlei bereits im Vorfeld des
Staatsbesuchs von Bundespräsident Heinz Fischer. In Prag hat Fischer
seinem tschechischen Amtskollegen vergangene Woche den „Großstern des
Ehrenzeichens für Verdienste um die Republik Österreich“ überreicht,
er selbst erhielt im Gegenzug den tschechischen „Orden des Weißen
Löwen“. In beiden Fällen handelt es sich um die höchsten
Auszeichnungen, die die Länder zu vergeben haben.
In Österreich war Kritik an der Ordensverleihung laut geworden, weil
Klaus mit seiner ablehnenden Haltung gegenüber dem Vertrag von Lissabon zu
einer Symbolfigur der EU-Skeptiker geworden ist. Ein Punkt, in dem beide
Staatsoberhäupter eine grundsätzlich unterschiedliche Ansicht vertreten,
wie Fischer am Donnerstag auf der gemeinsamen Pressekonferenz noch einmal
bestätigte:
„Wir haben über das Thema Lissabon-Vertrag gesprochen, wo die Formel
lautet: We agree not to agree. Und das ist ja auch nichts Neues.“
We agree not to agree. – Wir einigen uns darauf, uns nicht zu einigen.
In Tschechien selbst war die Lissabon-Debatte in den letzten Wochen um eine
Gangart härter geführt worden. Nachdem beide Kammern des Parlaments den
Vertrag mit Verfassungsmehrheit ratifiziert hatten, Klaus seine
Unterschrift jedoch bisher verweigert, haben einige Parlamentarier dem
Präsidenten Missachtung des Parlamentarismus vorgeworfen. Sogar das Wort
Hochverrat ist in Prag bereits gefallen. Václav Klaus auf der
Pressekonferenz mit Heinz Fischer:
„Ich werde die Aussagen von diversen Mitgliedern unseres Parlaments
nicht kommentieren. Die sind schon eine Art politische Folklore. Aber was
den Kern des Problems betrifft: Unsere Verfassung sagt klar, dass das
Parlament dem Präsidenten die Einwilligung zur Ratifizierung erteilt, und
nicht, dass der Präsident nach der Zustimmung des Parlaments die
Ratifizierung vollstreckt. Mit anderen Worten: Die Ratifizierung vollzieht
laut Verfassung der Präsident und nicht das Parlament. Aber ich habe heute
nicht vor, mich zum Lissabonner Vertrag zu äußern. Das Thema steht nicht
auf der Tagesordnung.“
Und mit einem Seitenblick auf die ORF-Korrespondentin, die ihn zum Thema
Lissabonner Vertrag gefragt hatte, fügte Klaus hinzu:
„Nichts Neues in dieser Hinsicht. Leider – für Sie.“
Mitglied der österreichischen Besuchsdelegation war auch
Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl. Radio Prag hat Leitl am Rande
einer zeitgleich stattfindenden Konferenz europäischer Industrie- und
Handelskammern getroffen. Wie sieht er die jüngsten Entwicklungen in
Tschechien?
„Ich muss zunächst einmal sagen, dass ich stolz bin auf meine
tschechischen Freunde, die den Lissabon-Vertrag, der für die demokratische
Entwicklung Europas ungeheuer wichtig ist, in beiden Häusern des
Parlaments ratifiziert haben.“
Europa, so Leitl, braucht eine gemeinsame Interessensvertretung, um der
nächsten Generation vernünftige Chancen auf Arbeit, Einkommen und
Sicherheit geben zu können:
„Die Amerikaner wissen, was zu tun ist, die Asiaten sind stark im
kommen, andere Kontinente fordern uns heraus. Wir können uns in Europa
eine Zersplitterung nicht leisten. Auch große europäische Länder können
die Probleme nicht alleine bewältigen. Wir brauchen eine handlungsfähige
europäische Gemeinschaft, eine Union, die uns in der Welt erfolgreich
vertritt.“

Bei der Unterredung von Václav Klaus und Heinz Fischer wurden auch Fragen
der gemeinsamen Vergangenheitsbewältigung sowie die unterschiedliche
Haltung zur Kernenergie angesprochen. Bezüglich der Differenzen beim Thema
Reaktorsicherheit ersuchte Fischer darum, auch die Sorgen der Bevölkerung
eines Nachbarlandes ernst zu nehmen. Einen wichtigen Stellenwert in den
Gesprächen nahm auch die politische Situation Tschechiens nach dem Sturz
der Regierung von Mirek Topolánek und der Ernennung des neuen
Experten-Kabinetts von Jan Fischer ein.
Er sei überzeugt, so Klaus, dass die neue Regierung die Politik der
bisherigen fortsetzen werde und es zu keinen revolutionären Veränderungen
kommt. „Mehr Kontinuität als Diskontinuität.“
Diesen Eindruck hatte auch Bundespräsident Heinz Fischer: Nach einem
Treffen mit seinem Namensvetter Jan Fischer wies er im Pressegespräch am
Freitag darauf hin, dass der neue tschechische Premier bereits als Chef des
Statistikamts regelmäßig an den Sitzungen der Regierung teilgenommen
hatte:
„Er kennt daher die Dossiers, er kennt die Vorsitzführung und die
Themen im Ministerrat. Er ist jemand, der offenbar sofort und ohne
Probeperiode oder Anpassungsschwierigkeiten in dieses Amt einsteigen konnte
und im Gespräch bei allen Dossiers sattelfest ist.“

Keine Bewegung gibt es vorerst bei den Beschränkungen auf dem
Arbeitsmarkt. Österreich und Deutschland sind ja die letzten beiden
EU-Länder, die ihren Arbeitsmarkt für Bürgerinnen und Bürger aus den
neuen Mitgliedstaaten, also auch aus Tschechien, noch teilweise
verschließen. Die entsprechende Übergangsregelung, die spätestens 2011
ausläuft, soll nicht vorzeitig beendet werden. Die österreichische
Regierung habe Brüssel die Gründe dafür bereits mitgeteilt, so Fischer:
„Sie stützt sich dabei darauf, dass zu den mehr als 100.000
Arbeitskräften, die wir seit der letzten Erweiterung der Europäischen
Union aufgenommen haben, gerade in der jetzigen wirtschaftlichen Situation
nicht noch weitere in großer Zahl dazukommen sollen. Und sie stützt sich
auch auf eine Parallelität der Interessen zwischen Deutschland und
Österreich.“
Das Thema ist seit der EU-Erweiterung 2004 ein Dauerbrenner in den
tschechisch-österreichischen Beziehungen. Václav Klaus aber gibt sich
geduldig:
„Als liberaler Ökonom teile ich das Motto der tschechischen
Ratspräsidentschaft ‚Europa ohne Barrieren’. Mich stört die Sache
aber eher auf der symbolischen als auf der realen Ebene, und ich glaube
auch nicht, dass sie für die Tschechen ein großes Problem ist.“
Auch der österreichische Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl
meint, die Übergangsfristen seien in Zeiten steigender Arbeitslosigkeit
vor allem eine Frage der Psychologie. Für immerhin 80 Berufe habe
Österreich seinen Arbeitsmarkt bereits jetzt geöffnet.
Source: Czech Radio 7, Radio Prague
URL: http://www.radio.cz/de/artikel/116367
© Copyright 1996, 2009 Radio Prague
All rights reserved.