[12.05.2009] - Aus dem Tonarchiv - Till Janzer
„Es spricht London“ – vorletzte Sendung der Exilregierung über BBC
Ab 1939 wandte sich die tschechoslowakische Exilregierung regelmäßig
über Radio an die Menschen in ihrer Heimat. Die Sendung hieß „Hlas
svobodné republiky“ – also „Stimme der freien Republik“, sie wurde
von der BBC aus London in Tschechisch und Slowakisch übertragen. Als
Präsident Edvard Beneš Mitte Mai 1945 nach Prag zurückkehrt, wird der
Regierungsfunk eingestellt. Im Archiv des Tschechischen Rundfunks befindet
sich eine Aufzeichnung der vorletzten Sendung.
„Die Stimme der freien Republik – es spricht zu Ihnen London“. So
startete auch am 10. Mai 1945 die Sendung der tschechoslowakischen
Exilregierung. Ein bisschen Verwirrung stiften die folgenden Worte. Denn da
wird angekündigt, dass Edvard Beneš noch am selben Tag nach Prag
zurückkehrt. Die Rückkehr des Staatspräsidenten fällt aber erst auf den
16. Mai. Welche Daten auch immer hier verdreht wurden, der Sprecher feierte
jedenfalls diesen Moment:
„Wir schließen uns den Stimmen des Volkes an, die rufen: `Ruhm unserem
Präsidenten´, `Die tschechoslowakische Regierung möge leben´, ´Es lebe
das kämpfende und siegreiche tschechoslowakische Volk´.“
Im Folgenden wurde die Grußbotschaft verlesen, die der englische König
George VI. anlässlich des Kriegsendes an Beneš geschickt hatte.
„Mit tiefer Anteilnahme haben wir das lange Leiden der Tschechoslowakei
verfolgt. Wir waren glücklich, dass wir Ihnen und der tschechoslowakischen
Regierung Asyl gewähren konnten, von dem aus Sie im ungebrochenen Glauben
an den endgültigen Sieg der Gerechtigkeit das Volk Ihres Landes
aufgemuntert haben und ihm geholfen haben in seinem schweren Kampf.“
Frühere tschechoslowakische Regierungsmitglieder waren bereits seit dem
Münchner Abkommen, das Ende September 1938 die Abtretung der
Sudetengebiete erzwang, ins Exil gegangen. Die größte Welle folgte nach
der Besetzung der restlichen Tschechoslowakei durch Hitler. Am 21.Juli 1941
wurde die Exilregierung offiziell anerkannt und war bis zum 2. April 1945
in London ansässig.
Erst nach der Befreiung aus dem Konzentrationslager Buchenwald ins
Londoner Exil gekommen, war der ehemalige Oberbürgermeister Prags, Petr
Zenkl. Der Parteigänger von Edvard Benešs „Nationalen Sozialisten“
war sofort bei Beginn des Zweiten Weltkriegs von der Gestapo verhaftet
worden. Am 10. Mai 1945 konnte er sich erstmals nach sechseinhalb Jahren
wieder an seine Mitbürger wenden.
Fast sieben Jahre lang sei das tschechoslowakische Volk erniedrigt und
verfolgt worden. Die Qualen hätten aber den Freiheitswillen eher
verstärkt, so Zenkl. Doch der Prager Oberbürgermeister warnte davor, den
Sieg über Nazi-Deutschland nur als Anlass zum Feiern zu sehen:
„Der fürchterliche Krieg ist aber noch nicht zu Ende. Zu Ende gegangen
ist bisher nur seine blutige Phase. Nach den Aufräumarbeiten wartet der
zweite Teil auf uns. Mit gewaltiger Anstrengung müssen wir uns ehrlich mit
den Problemen im Land auseinandersetzen, vor allem den sozialen
Problemen.“
Zenkl selbst im Übrigen musste hart darum kämpfen, wieder Prager
Oberbürgermeister zu werden. Erst im August 1945 konnte er seinen
kommunistischen Konkurrenten Václav Vacek verdrängen. Zenkl war einer der
letzten hochrangigen Redner in der Sendung der tschechoslowakischen
Exilregierung. Denn bereits am nächsten Tag sollte diese zum letzten Mal
erklingen, wie angekündigt wurde:
„Teure Hörer, morgen, am Freitag, hören Sie die letzte Sendung der
Stimme der freien Republik aus London.“
Source: Czech Radio 7, Radio Prague
URL: http://www.radio.cz/de/artikel/116185
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