[03.02.2009] - Aus dem Tonarchiv - Daniel Kortschak
Deutsch-Tschechisches Zusammenleben im Jahr 1936
Wie war eigentlich das Zusammenleben zwischen Tschechen und Deutschen in
der Ersten Tschechoslowakischen Republik? Wir haben dazu in unserem
Tonarchiv interessantes Material gefunden. Wenzel Jaksch, der damalige
Abgeordnete zum tschechoslowakischen Parlament und spätere Vorsitzende der
Deutschen Sozialdemokratischen Arbeiterpratei (DSAP) in Tschechien
diskutierte am 29. Mai 1936 mit seinen tschechischen Abgeordneten-Kollegen
Jan Kapras und Jan Blahoslav Kozák über das Zusammenleben im gemeinsamen
Staat.

Wenzel Jaksch
Er sei sehr froh, mit zwei Repräsentanten des öffentlichen Lebens der
Tschechoslowakei diskutieren zu können und eine offene Aussprache zu
führen. Was man sehr schmerzlich empfinde, sei
„die Wahrnehmung, dass
Tschechen und Deutsche in diesem Lande vielfach aneinander vorbei reden.
Dass sie viel zu sehr Monologe führen und zu wenige Gelegenheiten suchen,
ihre Meinungen auszutauschen.“
In der letzten Zeit habe sich dies aber gebessert, wirft einer der beiden
tschechischen Abgeordneten ein: „Das gebe ich zu, in der letzten Zeit hat
sich das bedeutend gebessert“, erwiderte Jaksch.
Was kann man nun aber konkret verbessern im gemeinsamen Leben des Staates?
Er könne sich vorstellen, „dass die Deutschen vom demokratischen
Standpunkt aus das Verlangen stellen, dass sie nach dem Verhältnis ihrer
Zahl, ihrer Leistung für den Staat auch am öffentlichen Leben Teil
haben.“
Aber sei nicht die Sprache der Kern des Problems? Viele Deutsche könnten
kein Wort Tschechisch, und auch ihre Bereitschaft, die Sprache zu erlernen,
sei enden wollend, werfen die beiden tschechischen Abgeordneten Wenzel
Jaksch vor. Sie könnten dies ja durchaus verstehen, sei doch Tschechisch
eine schwere Sprache. Doch dem Zusammenleben sei es nicht eben zuträglich.
Er sei sehr dankbar dafür, dass seine Kollegen zugäben, dass die
tschechische Sprache schwer zu erlernen sei, erwiderte Wenzel Jaksch:
„Ich muss feststellen, dass sich die Verhältnisse nach dem Kriege
bedeutend geändert haben. Der Wille zum Tschechisch-Lernen ist absolut
stark entwickelt. Allerdings will ich hier ganz offen sagen, von so
Älteren, Staatsangestellten, kleinen Briefträgern, Oberbauarbeitern, soll
man nicht irgendwelche großartigen grammatikalischen oder literarischen
Kenntnisse verlangen.“
Die Sprache diene doch vorwiegend als Mittel zur Verständigung. Da komme
es auf die korrekte Verwendung nicht unbedingt an, meint Wenzel Jaksch.
Source: Czech Radio 7, Radio Prague
URL: http://www.radio.cz/de/artikel/112875
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