[30.01.2009] - Tagesecho - Patrick Gschwend
Bundeskanzler Faymann: „Kein freier Zugang für Tschechen auf den österreichischen Arbeitsmarkt bis 2011“
Neben dem Trubel, den das Amt eines EU-Ratsvorsitzenden so mit sich bringt,
fand Regierungschef Mirek Topolánek die Zeit, seinen österreichischen
Amtskollegen zu empfangen. Mit Werner Faymann, seit Dezember neuer
Bundeskanzler in Wien, sprach Topolánek über bilaterale Probleme und
Gemeinsamkeiten. Mehr von Patrick Gschwend.
Regierungschef Mirek Topolánek überragt seinen Amtskollegen, den
österreichischen Bundeskanzler Werner Faymann, um einen Kopf. Dem
Lächeln
im Gesicht Faymanns, das nahezu festgefroren schien, hatte der
tschechische
Premierminister aber nur wenig entgegenzusetzen. Aber ja doch:
hervorragend
seien die Beziehungen zwischen ihren Ländern, verkündeten beide
Politiker
nach ihrem Arbeitstreffen, zu dem Bundeskanzler Faymann kurzfristig nach
Prag gekommen war. Die gute persönliche Beziehung, die sie zueinander
hätten, unterstreiche dies, so Faymann auf der anschließenden
Pressekonferenz. Auf dieser Grundlage könne man auch kontroverse Themen
offen ansprechen.
„Wir sind auch dort, wo wir verschiedener Meinung sind, glaube ich,
gut
gerüstet, auf direktem Weg das in partnerschaftlicher,
nachbarschaftlicher
und freundschaftlicher Weise auszudiskutieren. Ich bedanke mich
dafür.“
Und unterschiedliche Meinungen bestehen in mehreren Themenfeldern. Zu
nennen wäre etwa Temelín. Das Atomkraftwerk ist wahrlich ein
Dauerbrenner
österreichisch-tschechischer Konflikte. Lächelnd merkte Faymann aber an,
sein Land spreche halt – als entschiedener Atomkraftgegner – die
Risiken der Kernenergie offen an. Neue Aktualität gewann hingegen erst
kürzlich wieder die Frage des Zugangs zum österreichischen Arbeitsmarkt
für Tschechen. Auf dem Treffen der EU-Arbeits- und Sozialminister im
mährischen Luhačovice Ende letzter Woche wurde von österreichischer
Seite verlautet, man wolle in Österreich die Zugangsbeschränkungen für
Arbeitsuchende aus den 2004 der EU beigetretenen Ländern bis 2011
aufrecht
erhalten. Auf Anfrage bestätigte Faymann dieses Vorhaben. Allerdings
würden schon jetzt Ausnahmeregelungen in 65 Berufen gelten, etwa für
Facharbeiter und Wissenschaftler.
„Trotzdem geht die innenpolitische Entscheidung in die Richtung,
dass
wir diese Übergangsregelungen grundsätzlich, so wie sie festgelegt sind,
auch ausschöpfen wollen. Das ist eine Entscheidung in der
Innenpolitik.“
Für Premier Topolánek ist diese innenpolitisch motivierte Entscheidung
dennoch unverständlich.
„Ich musste natürlich ausdrücken, dass ich mit der Verlängerung
der
Zugangsbeschränkungen zu einem freien Arbeitsmarkt nicht einverstanden
bin. Auch wenn das der tschechischen Seite ohnehin keine ernsten Probleme
verursacht. Denn wir schöpfen noch nicht einmal die Pendlerabkommen aus,
die Tschechen die in Grenznähe wohnen, das Arbeiten in Österreich
erleichtern. Das ist für mich also eher ein psychologisches Problem auf
österreichischer Seite.“
Gesprochen haben die Regierungschefs auch über die Finanzkrise.
„Möglicherweise überrascht es die versammelte
Journalistengemeinde
mehr als uns. Aber die Maßnahmen gegen die Finanzkrise sind in
unseren beiden Ländern beinahe identisch“, so Topolánek.
Faymann fügte hinzu, die Krise sei auch eine Chance. Mit koordinierten,
gemeinsamen Maßnahmen gegen die Krise, könne man das Vertrauen der
Bürger in die EU stärken.
Source: Czech Radio 7, Radio Prague
URL: http://www.radio.cz/de/artikel/112790
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