[22.01.2009] - Forum Gesellschaft - Christian Rühmkorf
„Jedna, zwei, tři…“ - tschechische und österreichische Kinder kennen in Drasenhofen keine Grenze
Im niederösterreichischen Drasenhofen, ganz nah an der tschechischen
Grenze, da gibt es einen Kindergarten, in dem die Grenzen schon völlig
verschwunden sind. Dort üben sich tschechische und österreichische Kinder
schon in ganz jungen Jahren in Internationalität und lernen die Sprache
des anderen. Noch leichter ist das geworden, seit Tschechien Teil des
Schengenraumes ist.
„Ich hab mir das früher auch nicht so vorstellen können, wie das geht
und wie das ablaufen soll – aber es läuft sehr gut“, sagt
Kindergartenleiterin Maria Madner. Sie selbst kann kein Tschechisch. Ein
bisschen zählen vielleicht. Aber in ihrem Kindergarten im
niederösterreichischen Drasenhofen, nur wenige Kilometer von der Grenze zu
Tschechien entfernt, da lernen die österreichischen Kinder Tschechisch.
Aber nicht nur das: Den Kindergarten besuchen auch täglich bis zu 16
Kinder aus Tschechien, aus der benachbarten Region um Mikulov / Nikolsburg.
Und die lernen dann Deutsch. Und alle zusammen bekommen – damit es nicht
zu einfach wird – auch noch Englischunterricht.
Das Land Niederösterreich bezahlt eine englische Muttersprachlerin und
eine so genannte interkulturelle Mitarbeiterin aus Tschechien. Unter dem
Unterricht mit den drei bis sechs Jahre alten Kindern darf man sich
allerdings keine Büffelei vorstellen, wie Kindergartenleiterin Madner
erklärt:
„Wir arbeiten mit Kleingruppen und die interkulturelle Mitarbeiterin
Jitka, die fragt dann die Kinder, wer mit ihr in den Bewegungsraum gehen
möchte. Und da macht sie mit den Kindern, die wollen, dann das auf
Tschechisch, was wir auf Deutsch machen.“
Spielerisch wird hier gelernt. Da werden Bilderbücher beschrieben, da
wird gesungen, da wird rauf und runter gezählt. Trotzdem ist gerade der
Anfang für die tschechischen Kinder nicht leicht, wenn sie mit zweieinhalb
oder drei Jahren zum ersten Mal in den österreichischen Kindergarten
kommen.
„Der Anfang ist sicherlich sehr hart für die Kinder. Aber da haben wir
die interkulturelle Mitarbeiterin, und es sind ja auch andere tschechische
Kinder da, die sie immer verstehen. Also, sie können sich schon
ausdrücken. Und das ist auch für die Kinder super: Sie lernen sich ohne
Sprache zu verständigen. Das ist eine ganz große Erfahrung. Und sie haben
vor nichts Angst.“
Aber schüchtern sind sie, die tschechischen Kinder. Der österreichische
Lukas aber zeigt Stolz, dass er schon auf Tschechisch zählen kann.
Die Initiative zur Gründung des Kindergartens ging 1991 vom früheren
Bürgermeister in Drasenhofen aus, als man mit dem tschechischen Mikulov
eine Partnerschaft schloss. Die tschechische Seite fand den Gedanken eines
österreichisch-tschechischen Kindergartens mit Englischunterricht gut. Und
der niederösterreichische Landeshauptmann befand das Projekt für
förderungswürdig:
„Und deshalb zahlen auch die tschechischen Kinder für die
Vormittagsbetreuung im Kindergarten keinen Euro. Das ist also ein
Entgegenkommen des Landes Niederösterreich für unsere Kinder. Wenn die
gemeinsam in die Schule geht, dann haben die auch gemeinsame Interessen
grenzüberschreitend in die Zukunft. Das finde ich eine tolle Sache“,
sagt Josef Studeny, der Bürgermeister der Gemeinde Drasenhofen.
Kindergarten und Schule auf der anderen Seite der Grenze - eine lohnende
Investition in die Zukunft. Vor allem was die späteren Sprachenkenntnisse
der Kleinen betrifft. Das meinen auch die tschechischen Eltern. Denn in die
Tasche greifen müssen sie schon, damit ihre Kinder täglich über die
Grenze nach Österreich kommen. Sie haben selber einen kleinen Schulbus
gechartert, der die bis zu 16 tschechischen Kinder alle der Reihe nach
abholt und nach Drasenhofen bringt. Früher, bevor Tschechien dem
Schengenraum beigetreten ist, war das mit der täglichen Grenzfahrt gar
nicht unkompliziert, wie Bürgermeister Studeny erzählt:
„Früher – vor der Schengen-Erweiterung – hatten wir eine
Sammelliste bei den Zollämtern in Drasenhofen und Nikolsburg hinterlegt.
Wenn der Busfahrer mit der und der Nummer kam, mit dem und dem Ausweis und
mit den und den Kindern - zack konnte er weiterfahren, ohne dass die
einzelnen Kinder kontrolliert wurden. Das hatte ich als Bürgermeister
ausgestellt. Eine so genannte Sammelbestätigung, dass die Kinder täglich
den Kindergarten besuchen und wieder nach Hause fahren.“
Die Kindergartenplätze sind unter tschechischen Familien aus der
Grenzregion heiß begehrt, meint Bürgermeister Studeny. Er merke das vor
allem dann, wenn er drei Mal im Jahr eine Besprechung mit den Eltern
einberufe.
„Einen so genannten Elternabend, wo also die Eltern schon den anderen
Familien oder Müttern sagen: ´Ja, wenn mein Platz nächstes Jahr frei
wird, dann hast Du die Möglichkeit´. Also ich kann die vielen Kinder, die
kommen würden, gar nicht in den Kindergarten aufnehmen. Da wäre der
Kindergarten zu klein.“
Und deshalb plant man in Drasenhofen und Nikolsburg eine Schul- bzw. eine
Kinderlandwoche. Die komplette „Kindergartenbesatzung“ aus Drasenhofen
geht für eine Woche auf die tschechische Seite nach Mikulov und die
tschechischen Kinder werden eine Woche in Drasenhofen sein –
Sprachaustausch nennt sich das.
Bürgermeister Studeny kann selbst manchmal kaum glauben, wie schnell die
österreichischen Kinder Tschechisch lernen, wenn sie - früher mit drei
und jetzt schon mit zweieinhalb Jahren - in den Kindergarten kommen.
„Die Kinder kommen in den Kindergarten und können kein Wort tschechisch
und nach drei Monaten reden die perfekt. Nach drei Monaten! Das ist
unglaublich! Was können wir den Kindern Besseres geben als diese
grenzüberschreitende Verbindung.“
Kindergartenleiterin Maria Madner sieht das ganz ähnlich:
„Die Kinder schließen schon Freundschaften und das ist ja unser Ziel,
dass die Kinder von klein auf über die Grenzen hinweg schauen, dass es
überhaupt keine Grenzen gibt. Die besuchen sich schon, bleiben über Nacht
bei den Freunden, feiern Feste gemeinsam, typisch tschechische Feste. Und
diese Freundschaften halten sicher das ganze Leben.“
Das muss sich allerdings erst noch zeigen. Der Grundstein dafür, der ist
in Drasenhofen und Mikulov / Nikolsburg immerhin gelegt worden.
Source: Czech Radio 7, Radio Prague
URL: http://www.radio.cz/de/artikel/112489
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