Tillich bei Besuch in Ústí
(DTPA/MT) USTI NAD LABEM (AUSSIG): Mit der Aufarbeitung ihrer gemeinsamen Geschichte stellen Deutsche und Tschechen ihre Zusammenarbeit auf ein noch festeres Fundament. Dies machten Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich und der tschechische Außenminister Karel zu Schwarzenberg am 11. September in Ústí nad Labem (Aussig) deutlich. Während einer unter dem Titel "Vergessene Helden" stehenden Konferenz, mit der ein Projekt zur Dokumentation der Schicksale deutschsprachiger aktiver Antifaschisten in der Tschechoslowakei endet, würdigten beide Politiker die Bedeutung der Arbeit zahlreicher Historiker, die Berichte von rund 100 Zeitzeugen aufgezeichnet und ihre Schicksale umfassend dokumentiert haben. "Mit einem unverklärten Blick wagen Deutsche und Tschechen sich damit an ein schwieriges Kapitel ihrer gemeinsamen Geschichte heran. Die heute beginnende Dauerausstellung in der Universität von Ústí nad Labem veranschaulicht den Kampf von Deutschen und Tschechen Seite an Seite gegen das Unrechtsregime der Nationalsozialisten und ist damit ein bedeutender Mosaikstein im Prozess dieser Aufarbeitung. Ich finde es ausgesprochen wichtig, dass diese Ausstellung einer breiten Öffentlichkeit zugänglich wird und würde mich freuen, wenn hiermit auch die Idee eines deutsch-tschechischen Geschichtsbuchs für Schüler vorangetrieben werden könnte", sagte Ministerpräsident Tillich.
Die Deutschen, die in den böhmischen Ländern erklärte Gegner des nationalsozialistischen Systems waren, hätten doppeltes Unrecht erfahren. Zunächst bangten sie unter Adolf Hitler um ihre Rechte. Und weil ihre Muttersprache nicht Tschechisch gewesen sei, seien sie nach Ende des Zweiten Weltkrieges als Feinde der Tschechen verfolgt, vertrieben und ausgesiedelt worden, ergänzte Tillich. Dieses Thema war über Jahrzehnte ein Tabu-Thema. Erst durch eine Resolution der tschechischen Regierung vom 24. August 2005 wurde der Anstoß für das Projekt "Vergessene Helden" gegeben.
"Wenn wir die Vergangenheit im Blick behalten, können wir unsere gemeinsame Zukunft erfolgreich gestalten. In den letzten Jahren haben sich die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen immer intensiver entwickelt. Nicht Konflikte prägen unsere Gespräche, sondern die Vereinbarung gemeinsamer Projekte. Vielversprechender als heute sah die Freundschaft zwischen Deutschland und der Tschechischen Republik nie aus", sagte Ministerpräsident Tillich.
Nach der Konferenz-Eröffnung und dem damit verbundenen Blick in die Vergangenheit schauten Ministerpräsident Stanislaw Tillich und der tschechische Außenminister Karel zu Schwarzenberg in die Zukunft. So waren sich beide Politiker einig, dass der Bau einer Hochgeschwindigkeitsstrecke Berlin-Dresden-Prag im Rahmen der Transeuropäischen Netze (TEN) vorangetrieben werden müsse. Möglicherweise solle der Dringlichkeit dieses Schienenprojekts schon bald mit einem gemeinsamen Memorandum of Understanding Ausdruck verliehen werden.
Darüber hinaus regten Tillich und Schwarzenberg im Gespräch die baldige Gründung einer sächsischsorbischtschechischen Begegnungsstätte im Wendischen Seminar in Prag, einem früheren sorbischen Priesterseminar und dem heutigen Sitz des tschechischen Ministeriums für Schulwesen, an. Hierzu werde es weitere Gespräche geben.
Außerdem sagte Ministerpräsident Stanislaw Tillich dem tschechischen Außenminister zu, dem Sächsischen Landtag die Gründung einer sächsischtschechischen parlamentarischen Freundschaftsgruppe vorzuschlagen.
Darüber hinaus wurde heute bekannt, dass der tschechische Staatspräsident Václav Klaus die Einladung des sächsischen Ministerpräsidenten angenommen hat, seine Gedanken zur zukünftigen EU-Politik während der im Oktober dieses Jahres in Dresden stattfindenden Ministerpräsidentenkonferenz darzulegen. Hintergrund ist die EU-Ratspräsidentschaft der Tschechischen Republik, die im Januar 2009 beginnt.
Ministerpräsident Stanislaw Tillich kündigte in Ústí nad Labem an, dass der Freistaat Sachsen dem Auswärtigen Amt anbiete, die Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit im Jahre 2009 in der Deutschen Botschaft in Prag auszurichten. "Damit könnten wir ein ganz besonderes Zeichen mit dreifacher Symbolwirkung setzen: Die friedliche Revolution liegt nächstes Jahr genau zwanzig Jahre zurück. Die Deutsche Botschaft in Prag wiederum war der Ausgangspunkt für die Geschehnisse im November 1989. Und Sachsen ist das Kernland der friedlichen Revolution", sagte Tillich.
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