[04.09.2008] - Tagesecho - Daniel Kortschak
Vor 60 Jahren starb Edvard Beneš
Er war einer der bedeutendsten tschechoslowakischen Politiker. Als
Außenminister unter Präsident Masaryk und zweiter Präsident der
Tschechoslowakei beeinflusste er die Entwicklung des selbstständigen
Staates maßgeblich. 1938 flüchtete er und führte er seine
Amtsgeschäfte
aus dem Exil weiter. Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrte er in die
Tschechoslowakei zurück und wurde im Amt des Präsidenten bestätigt. Vor
60 Jahren starb Edvard Beneš. Am Mittwoch wurde dazu in Tábor eine
Ausstellung eröffnet.
Die Spitzen des tschechischen Staates, angeführt von Präsident Václav
Klaus und Premierminister Mirek Topolánek, gedachten am Vormittag im
südböhmischen Sezimovo Ústí / Alttabor des zweiten
tschechoslowakischen
Präsidenten. Edvard Beneš liegt dort, unweit seiner Villa, in der
Familiengruft begraben. Am Abend wurde im alten Rathaus in Tábor eine
Ausstellung zum Gedenken an Beneš eröffnet. Anhand von zahlreichen
Originaldokumenten zeigt sie das Leben und Schaffen des Präsidenten. Auch
Teile der Einrichtung aus seiner Villa sind zu besichtigen.
Anlässlich der Eröffnung würdigte Staatpräsident Václav Klaus die
Verdienste von Edvard Beneš um die Tschechoslowakei. Beneš hatte
maßgeblichen Anteil an der Entstehung des neuen tschechoslowakischen
Staates im Jahr 1918. Als Außenminister der Ersten Republik kämpfte er
erfolgreich für die internationale Anerkennung des Landes und knüpfte
internationale Kontakte. Die Okkupation von Teilen des Staatsgebietes
durch
Nazi-Deutschland vermochte er allerdings nicht zu verhindern. Und auch
sein
Widerstand gegen die Machtübernahme der Kommunisten im Jahr 1948 blieb
erfolglos.
„Er lebte in einer schwierigen Zeit. Auf der einen Seite gab es
große
Erfolge, andererseits aber auch riesige Verluste. Diese Verluste werden
immer mit der Person von Edvard Beneš gleichgesetzt. Ich sage immer, dass
ich das für sehr ungerecht halte.“ In der damaligen Zeit zwischen
den
Weltkriegen sei die Gesellschaft gespalten und über die Zukunft des
Landes
uneinig gewesen. betonte Klaus.
In Deutschland und Österreich wird Edvard Beneš oft mit der Vertreibung
der deutschsprachigen Bevölkerung nach dem Zweiten Weltkrieg
gleichgesetzt. Der bürgerdemokratische Europa-Abgeordnete und Initiator
der Ausstellung, Jaroslav Zvěřina widerspricht dieser Sichtweise im
Radio-Prag-Interview:
„Ich denke, man sollte die Nachkriegsereignisse nicht
personifizieren.
Beneš war ein herausragender demokratischer Politiker. Er war die
Verkörperung einer bestimmten Art von Politik, die in der
Zwischenkriegszeit in Europa vorherrschte. Wahr ist allerdings, dass diese
Politik nicht am besten ausfiel. Sie wurde von den totalitären Systemen
überrollt.“
Das gesamte Interview mit Jaroslav Zvěřina und einen ausführlichen
Bericht über das Gedenken an Edvard Beneš hören Sie diesen Samstag in
unserer Rubrik „Geschichtskapitel“.
Source: Czech Radio 7, Radio Prague
URL: http://www.radio.cz/de/artikel/107941
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