[21.08.2008] - Tagesecho - Jitka Mladkova
Sowjetinvasion ´68: Tschechen vergeben nicht
Auch 40 Jahre, die seit der Invasion der Sowjettruppen am 21. August 1968
in die Tschechoslowakei vergangen sind, reichen den Tschechen nicht aus, um
den Russen zu verzeihen. Das geht aus einer Umfrage hervor, die dieser Tage
die Prager Meinungsforschungsagentur STEM im Auftrag der Wirtschaftszeitung
Hospodářské noviny durchgeführt hat. Über die am Mittwoch
veröffentlichten Ergebnisse sprach Jitka Mládková mit STEM-Analytiker
Stanislav Hampl:
Herr Hampl, welche Haltung nehmen die Tschechen zum Überfall auf die
Tschechoslowakei im Jahr 1968 in der STEM-Umfrage ein?
„Für die Mehrheit der Tschechen ist noch nicht die Zeit gekommen,
Russland wegen der Invasion von 1968 zu vergeben. Das war die Meinung von
zwei Dritteln der Befragten. Natürlich gibt es altersbedingt
differenzierte Ansichten. Angehörige der jüngsten wie auch der ältesten
Generation erklärten sich relativ häufig bereit, die Invasion zu
verzeihen, auch wenn es sich bei dieser Bevölkerungsgruppe um keine
Mehrheitsmeinung handelt. Am wenigsten versöhnungsbereit scheint die
mittlere Generation zu sein.“
Bietet sich dafür eine Erklärung an, warum das so ist? Schließlich
können sich die Angehörigen der mittleren Generation kaum an die Invasion
´68 erinnern. Viele waren doch noch gar nicht auf der Welt!
„Sie müssen nicht unbedingt persönliche Erinnerungen haben,
aufgewachsen sind sie aber in einer Zeit, in der die Erinnerung an das
Geschehen des Prager Frühlings in der Öffentlichkeit wach blieb. Nach
seiner Niederschlagung hatte es ja für sehr viele Menschen ernste
Konsequenzen in den nachfolgenden 20 Jahren gegeben. Das hat auch oft die
Einstellung ihrer Kinder maßgeblich geprägt.“
Auf der anderen Seite neigt eher die ältere Generation dazu, den Russen
zu vergeben. Das sind wiederum Menschen, die schon die Ereignisse von 1968
miterlebt und im Gedächtnis behalten haben.
„Es kann einerseits - aus psychologischer Sicht gesehen - eine
entwicklungsbedingte Tatsache sein, dass ältere Menschen generell eher
versöhnungsbereit sind. Zum anderen sind sie häufiger ausgesprochen links
orientiert. Unter ihnen findet man zum Beispiel mehr Kommunisten als unter
den jüngeren Menschen. Schließlich ist das Verhältnis der jungen
Generation zu Russland allgemein kritischer.“
Source: Czech Radio 7, Radio Prague
URL: http://www.radio.cz/de/artikel/107457
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