[08.07.2008] - Begegnungen - Julia Nesswetha
Erfolgreicher Jubilar: Der „Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds“
In diesem Jahr feiert der Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds sein
zehnjähriges Jubiläum. Grund genug, sich die Arbeit und die Ergebnisse
des Fonds genauer anzusehen.
Ganze zehn Jahre gibt es den Deutsch-Tschechischen-Zukunftsfonds bereits.
Er entstand auf der Basis der so genannten „Deutsch-Tschechischen
Erklärung“, die 1997 von den Regierungen von Deutschland und der
Tschechischen Republik geschlossen wurde. In dieser
„Deutsch-Tschechischen Erklärung“ wurde auch die Errichtung des
„Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds“ vereinbart, der von den
Regierungen beider Länder bis jetzt fast 85 Millionen Euro erhalten hat
– zur Förderung verschiedener deutsch-tschechischer Projekte. Was aber
macht der Fonds genau? Dazu sein Geschäftsführer Konrad Scharinger:
„Das übergeordnete Ziel ist natürlich, die Verständigung zwischen den
beiden Völkern und ihre Zusammenarbeit zu fördern. Und das tun wir, indem
wir die Probleme der Vergangenheit nicht außen vor lassen, sondern sie als
wichtigen Bestandteil betrachten. Darunter fallen insbesondere natürlich
auch die Auswirkungen der deutschen Vergangenheit, die Besetzung der
Tschechoslowakischen Republik 1938/39. Wir haben Opfer des
Nationalsozialismus, insgesamt 8000 Personen, mit Zahlungen entschädigt.
Neben diesem Sozialprojekt haben wir natürlich noch eine ganze Reihe von
anderen Projekten. Alles in allem haben wir in den letzten Jahren etwa 4400
Projekte gefördert, insbesondere aus dem Bereich Jugend, Schüler- und
Studentenaustausch, der eine der großen Prioritäten innerhalb unserer
Arbeit darstellt.“
Eines dieser 4400 geförderten Projekte ist das „Prager Literaturhaus
deutschsprachiger Autoren“. Gegründet wurde es von der letzten
deutschsprachigen Prager Autorin, der kürzlich verstorbenen Lenka
Reinerová.
„Die Hauptidee oder das Ziel des Literaturhauses ist, die
deutschsprachige Literatur aus böhmischen Ländern der Öffentlichkeit
näher zu bringen und sie zu präsentieren. Wir wollen zeigen, dass nicht
nur Franz Kafka hier gelebt und geschrieben hat, sondern dass es wesentlich
mehr Autoren waren. Allein in Prag waren es laut Expertenmeinung über
90“, sagt die Direktorin des Literaturhauses, Lucie Černohousová.
Das Prager Literaturhaus veranstaltet Lesungen und Diskussionsabende und
es beherbergt zudem eine einzigartige kleine Präsenzbibliothek mit
ungefähr 1000 Büchern zum Thema „Prager deutschsprachige Literatur“.
Durch die Unterstützung des „Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds“ kann
das Prager Literaturhaus aber noch mehr bieten:
„Wir möchten die Tradition, die es hier um die Jahrhundertwende gegeben
hat, als sich verschiedene Kulturen hier in Prag - die deutsche, jüdische
und tschechische - getroffen und gegenseitig beeinflusst haben, auf eine
modernere Art und Weise wieder beleben. Prag soll wieder ein Begegnungsort
europäischer Kulturen sein. Daher haben wir angefangen, Stipendien an
Schriftsteller zu vergeben, die unter anderem auch vom
‚Deutsch-Tschechischen-Zukunftsfonds’ mitgefördert werden. Wir
vergeben das Stipendium an tschechische Schriftsteller, die ins Ausland
gehen und im Gegenzug empfangen wir hier ausländische Schriftsteller, die
dann in Prag leben und schreiben können. Sie schreiben hier ein Tagebuch,
das wir dann wiederum veröffentlichen. Die ausländischen Schriftsteller
atmen die Atmosphäre in Prag und sammeln Inspiration für ihre Werke.“
Der „Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds“ kann jedoch immer nur 50
Prozent eines Projektes finanzieren. Gab es daher Existenzängste im Prager
Literaturhaus, da ihre wichtigste Repräsentantin Lenka Reinerová Ende
Juni verstorben ist? Nein, denn sie habe gute Nachrichten erhalten, so
Lucie Černohousová:
„Frau Reinerová hat die beiden Außenminister, den tschechischen und
den deutschen, für das Prager Literaturhaus und vor allem für seine Idee
und Tätigkeit begeistert. Wir sind darüber sehr froh, denn mit Frau
Reinerovás Tod gab es natürlich auch Bedenken, wie es jetzt weitergehen
soll. Daher freut es mich sehr, dass sich der deutsche Außenminister Frank
Walter Steinmeier in seiner Pressemitteilung ganz klar zur weiteren
Förderung des Literaturhauses geäußert hat. Wenn ich genau seine Worte
zitieren darf: ‚Frau Reinerová setzte sich ihr Leben lang unermüdlich
für ein lebendiges, deutschsprachiges Literaturleben in Prag ein. Das
Prager Literaturhaus deutschsprachiger Autoren war ihr Herzensprojekt. Ihr
Tod ist uns Verpflichtung, es zum Erfolg zu führen.’ Das sind sehr
schöne Worte.“
Ein weiteres Projekt, das vom Zukunftsfonds gefördert wird, ist das
„Deutsch-Tschechische Jugendforum“. Es sei wichtig, dass auch
Jugendliche etwas zum Verständnis zwischen den beiden Ländern Deutschland
und Tschechien beitragen, sagt Bianca Lipanská vom Jugendforum und
erklärt den Aufbau und die Organisation des Forums:
„Es gibt immer 20 deutsche und 20 tschechische Mitglieder im
Jugendforum. Häufig sind das Jugendliche, die zum Beispiel entweder als
Tscheche ein Semester oder ein Jahr in Deutschland studiert haben oder
umgekehrt. Daher haben sie bereits einen gewissen Hintergrund, weshalb sie
sich gerade für die deutsch-tschechischen Beziehungen interessieren. Jedes
Jahr gibt es zwei Treffen, bei denen sich das ganze Plenum trifft. Bei dem
ersten Treffen, das dieses Jahr im September in Nürnberg stattgefunden
hat, wurden AGs gebildet, also verschiedene Arbeitsgruppen. Es gibt zum
Beispiel die AG Politik, AG Kultur, AG Info, AG Europa, AG Migration und
innerhalb dieser AGs werden dann verschiedene Projekte gemacht.“
Die Organisation „Sdružení Ackermann Gemeinde“, auf deutsch
„Verein Ackermann Gemeinde“, ist die tschechische Partnerorganisation
der deutschen „Ackermann Gemeinde“, die 1946 von sudetendeutschen
Katholiken gegründet wurde. Die Mitglieder des „Sdružení Ackermann
Gemeinde“ sind vor allem tschechische Bürger deutscher Nationalität,
die sich im besonderen Maße um die Versöhnung zwischen Deutschen und
Tschechen bemühen wollen. Unsere Kollegin Martina Schneibergová ist im
Vorstand des „Sdružení Ackermann Gemeinde“:
„Während der vergangenen Jahre haben die ‚tschechischen
Ackermänner’ mehrere Konferenzen organisiert, außerdem Bildungsreisen,
Seminare und auch zwei Studentenkonferenzen, in denen auch die junge
Generation angesprochen wird. Jedes Jahr wird eine Jahreskonferenz zu einem
tragenden Thema veranstaltet. In den ersten Jahren haben sich die
Konferenzen eher mit den historischen Tatsachen beschäftigt, denn sie
waren auf die Aussöhnung zwischen Deutschen und Tschechen ausgerichtet.
Dieses Jahr haben wir dann aber eine Konferenz zur Problematik der
Migrationspolitik organisiert, zu der wir auch Experten aus mehreren
Ländern eingeladen haben.“
Eigentlich war der „Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds“ nur für die
Dauer von zehn Jahren konzipiert und hätte demnach im Jahr 2007 seine
Arbeit einstellen müssen:
„Aber beide Regierungen waren dann überzeugt, dass die Arbeit des
‚Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds’ sehr erfolgreich und nützlich
ist. Deshalb haben beide Parlamente und beide Regierungen entschieden, die
Finanzierung fortzusetzen und im letzten Jahr sind dann von beiden Seiten
wieder entsprechende Zahlungen in die Kasse des Zukunftsfonds getätigt
worden. Das heißt, wir fördern dann je nach dem, wie groß die Projekte
sind, im Jahr ungefähr 500 bis 600 einzelne Projekte“, erklärt Konrad
Scharinger, der Geschäftsführer des Zukunftsfonds.
Gute Nachrichten also für viele weitere erfolgreiche deutsch-tschechische
Begegnungen!
Source: Czech Radio 7, Radio Prague
URL: http://www.radio.cz/de/artikel/105918
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