[01.07.2008] - Aus dem Tonarchiv - Julia Nesswetha
Jan Masaryks Widerstandsrede aus London
Er war der Sohn des ersten tschechoslowakischen Präsidenten Tomáš
Garrigue Masaryk – aber er war auch mehr als das: Jan Masaryk war erst
tschechoslowakischer Botschafter in London und später auch Außenminister.
Im Jahr 1939 eröffnet er von London aus die Rundfunksendungen in
tschechischer Sprache, eine Widerstandserklärung gegen die Nazis – in
unserem Tonarchiv sind Aufnahmen davon erhalten geblieben.
„Ich habe die unverdiente Ehre, zu der täglichen Rundfunksendung in
tschechischer Sprache aus England den Auftakt zu machen. Dem ruhmreichen
und teuren tschechoslowakischen Volk einen Gruß, Liebe und
unerschütterliches Vertrauen im Namen aller Exiltschechoslowaken. Durch
Edvard Beneš haben wir verlauten lassen, dass wir uns mit Nazideutschland,
Hitler und seiner Meute im Krieg befinden. Die Stunde der Vergeltung steht
bevor.“
Mit diesen Worten von Jan Masaryk beginnt am 8. September 1939 die erste
Rundfunksendung auf Tschechisch aus London. Im März des Jahres hatten die
Nazis die Tschechoslowakei überfallen, deren Londoner Botschafter Masaryk
lange Jahre gewesen war. Das Reichsprotektorat Böhmen und Mähren wurde
errichtet, die Tschechoslowakei gab es nicht mehr. Unter den Exilanten
machte sich Widerstand breit, und der Rundfunk war ein geeignetes Medium,
diesen Protest auch in die alte Heimat zu transportieren.
„Das Maß der Geduld der westlichen Demokratien ist voll und der
Ausrottungskampf der Nazis hat begonnen. Unser Plan ist eine freie
Tschechoslowakei in einem freien Europa. Um das zu erreichen sind wir
entschlossen, alles zu opfern. Es wird der Tag kommen, an dem der Nazismus
und alle unsere Unterdrücker von der Erdoberfläche verschwinden. Schon
heute ruft sie das tschechoslowakische Volk vor das Gottesgericht. Mit dem
Namen, den ich trage, verkünde ich Euch allen feierlich, dass wir den
Kampf gewinnen werden und die Wahrheit siegen wird. Ich bin Euch unendlich
dankbar, dass Ihr das Grab meines Vaters auf dem Lány-Friedhof
behütet.“
Dies sollte nicht Jan Masaryks letzte Rede im Rundfunk bleiben. Er
arbeitete später eng mit der BBC zusammen und sprach vor allem in England
und den USA über die Gefahren des Nationalsozialismus und über die
internationale Stellung der Tschechoslowakei während des Krieges. Masaryk
ermunterte seine daheim gebliebenen Landsleute, sprach ihnen Mut zu:
„Hört täglich den Londoner Rundfunk, Ihr bekommt wahre und objektive
Nachrichten. Ich weiß, dass Ihr vereint seid und dass Ihr die Qualen, die
Euch von dem verbrecherischen Eindringling zugefügt werden, ruhmvoll
überleben werdet. Wir sind stolz, wenn wir von Eurer Einigkeit und Eurem
stummen Widerstand hören. Auch wir, die wir jenseits der Grenze sind,
gehen gemeinsam mit Euch auf das Ziel zu, über das wir keine Kompromisse
machen werden. Das Problem der Tschechoslowakei ist auch ein Problem
Europas, und deshalb, Ihr teuren Tschechoslowaken: Seid versichert, dass
das Zepter eurer Regierung wieder in Eure Hände zurückkehrt. Servus und
auf ein Wiedersehen in Prag!“
Im Jahr 1940 gründete Edvard Beneš eine tschechoslowakische
Exilregierung in London, die auch von den Alliierten anerkannt wurde. Jan
Masaryk wurde ihr Außenminister. Dieses Amt behielt er auch nach
Kriegsende und unter der Regierung der Kommunisten, was ihm von vielen
seiner Wegbegleiter verübelt wurde. Er starb 1948 unter mysteriösen
Umständen: Man fand ihn tot unter dem Fenster seiner Wohnung. Bis heute
ist nicht geklärt, ob es sich um Selbstmord oder doch um einen Mord
gehandelt hat.
Source: Czech Radio 7, Radio Prague
URL: http://www.radio.cz/de/artikel/105680
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