[01.07.2008] - Tagesecho - Martina Schneibergova
63 Jahre danach: Gedenkkreuz für erschossene deutsche Zivilisten bei Beroun
Mehr als 63 Jahre hat es gedauert. Erst am 28. Juni haben die Opfer des
Massakers von Vráž ein Gedenkkreuz erhalten. Am 8. Mai 1945 ließen
tschechische Nazi-Kollaborateure unweit des mitteböhmischen Ortes 19
Menschen erschießen – 18 Deutsche und einen Tschechen. Am vergangenen
Samstag wurde am Ort der Hinrichtung ein Holzkreuz installiert.
Fünf Kilometer – aus der Gemeinde Loděnice bis zum Ort des brutalen
Massakers – sind die Teilnehmer des Gedenkmarsches am Samstag gegangen.
Unter ihnen war auch Rudolf Bělohoubek. Die Strecke ist er zum letzten Mal
1945 gegangen. Als 12-jähriger Junge begleitete er damals seine Eltern,
die gemeinsam mit weiteren 17 Bewohnern aus Loděnice ins Sammellager für
Deutsche nach Beroun getrieben werden sollten. Keiner der Menschen ist bis
nach Beroun gekommen. In der Nähe von Vráž wurden alle 19 Leute
erschossen.
„Das sind Deutsche, erschießt sie, haben die Leute hier geschrieen. Die
Gefangenen mussten sich in eine Reihe stellen und wurden erschossen. Ich
habe den ganzen Weg die Eltern begleitet – aus Loděnice bis zu diesem
Ort. Jetzt habe ich die Strecke noch einmal absolviert. Was gewesen ist,
ist gewesen. So etwas darf sich niemals in der Zukunft wiederholen.“
Der Vater von Herrn Bělohoubek war ein Tscheche. Er wollte seine deutsche
Frau nicht verlassen. Auch er wurde bei Vráž erschossen. Von wem der
Befehl zur Hinrichtung damals kam, weiß man bis heute nicht. Es wird
angenommen, dass es Tschechen waren, die mit den Nazis zusammenarbeiteten.
Sie hatten Angst, dass die Deutschen vor dem Gericht in Beroun verrieten,
wer mit den Nazis kollaboriert hat.
Die Mutter von Karel Paták, dem späteren Chronisten und Bürgermeister
von Loděnice, war auch eine Deutsche. Sie ist dem Tod nur deswegen
entgangen, weil der damals 13-jährige Karel am Tag des Transports
erkrankte und ihre Pflege dringend brauchte:
„Meine Mutter liegt hier nicht. Sie wurde zwar damals mit den anderen
Deutschen im Schulgebäude in Loděnice interniert. Ich bekam aber
Diphtherie und aus dem Grund wurde sie nach Hause geschickt. Da hatte ich
noch großes Glück gehabt.“
Das Kreuz mit der Gedenktafel wurde bei Vráž dank einigen engagierten
Bürgern installiert. Petr Zemánek ist Lehrer und Kastellan der Burgen
Žebrák und Točník. Über das Massaker von Vráž erfuhr er von Karel
Paták.
„Ich war davon überzeugt, dass ich etwas machen musste, als ich davon
erfuhr. Sonst hätte ich es in mir getragen und mich an einer Lüge
beteiligt.“
Das Kreuz wurde von einem tschechischen und einem deutschen Priester
geweiht. Die Initiatoren des Mahnmals von Vráž wollen, dass das Kreuz
nicht nur an die brutalen Ereignisse vom Ende des Zweiten Weltkriegs
erinnert. Das neue Denkmal soll auch neue historische Forschungen anregen.
Source: Czech Radio 7, Radio Prague
URL: http://www.radio.cz/de/artikel/105693
© Copyright 1996, 2008 Radio Prague
All rights reserved.