[29.04.2008] - Aus dem Tonarchiv - Pavel Polák
Beneš: Bewahren Sie feste Nerven
„Teure Mitbürger, ich spreche zu Ihnen in einem Augenblick
internationaler Schwierigkeiten, welche die größten seit dem Weltkrieg
sind und nicht nur die europäischen Staaten, sondern auch bedeutende
Länder in anderen Weltteilen ergriffen haben.“
Präsident Eduard Beneš hält eine Ansprache an die deutschen Bürger der
Tschechoslowakei. Er spricht vom Augenblicke internationaler
Schwierigkeiten. Es ist der 10. September 1938. In 20 Tagen wird das
Münchener Abkommen unterschrieben und die Sudetengebiete an Deutschland
abgetreten. Davon hat Beneš noch keine Ahnung.
„Und ich spreche zu ihnen allen: Zu den Tschechoslowaken, zu den
Deutschen und zu den übrigen Nationalitäten und unter ihnen wiederum zu
allen Parteien, zu allen Gruppen und zu allen Lagern. Wir hatten und wir
haben ein einziges Problem, welches ein schwieriges Problem ist und auf
unserem Gebiete durch alle Jahrhunderte hindurch war. Ein Problem, das
ständig neue Formen seiner Lesung erfordert: Das Nationalitätenproblem.
Aber auch diese wie andere Fragen bemühten wir uns auf unsere Weise im
Wege der Entwicklung zu lösen. Ich konstatiere jedoch objektiv die
Tatsache, dass uns heute der rasche Ablauf der europäischen und der
Weltereignisse, von welchen wir uns nicht isolieren können, zu einem
schnelleren Tempo auf diesem Wege zwingt. Ich wende mich mit meinem Aufruf
an alle Tschechoslowaken, an alle Deutschen bei uns und an alle übrigen
Einwohner dieser Republik ohne Unterschied der Nationalität. Mein Ruf geht
nicht an die Politiker und politischen Parteien. Bei diesen ist mir das
eine Selbstverständlichkeit. Er geht jedoch an die einzelnen Bürger, er
geht an die gesamte Bevölkerung.

Edvard Beneš
Niemals zuvor war die Verantwortung jedes einzelnen von uns größer als
jetzt. Seien Sie ruhig, seien Sie besonnen, bewahren Sie feste Nerven.
Gehen Sie ruhig Ihrer täglichen Arbeit nach. Das vor allem braucht jetzt
Ihr Vaterland und Ihre Heimat. Je weniger Sie von den Gepflogenheiten Ihres
täglichen Lebens abweichen, desto größer wird der Beitrag sein, den Sie
für die Erhaltung des Friedens leisten. Zeigen Sie der Welt, dass weder
der eine noch der andere von uns die Verantwortung auf sich nehmen will,
die heutige europäische Spannung mit gesteigert zu haben.
Ich habe im Leben nie Furcht gehabt. Ich war stets Optimist und mein
Optimismus ist heute stärker denn je. Ich habe einen unerschütterlichen
Glauben an unseren Staat, an seine Gesund, seine Kraft, seine
Widerstandsfähigkeit, an seine Armee und an den unbeugsamen Geist und an
die Ergebenheit seiner gesamten Bevölkerung. Und ich weiß, dass unser
Staat aus den heutigen Schwierigkeiten siegreich hervorgehen wird. Ich
grüße Sie und danke Ihnen!“
Source: Czech Radio 7, Radio Prague
URL: http://www.radio.cz/de/artikel/103553
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