[08.04.2008] - Aus dem
Tonarchiv - Pavel Polák
Wenzel Jaksch: Über Krieg und Frieden
„Wir leben an einer Zeitenwende, das Thema Krieg
oder Frieden umfasst das Schicksal Europas und Zukunft der Menschheit. Die aus
Denkfaulheit geborene Behauptung, Kampf um den Frieden sei nutzlos, weil es
immer Kriege geben werde, ist durch die moderne Technik restlos widerlegt. Mit
den neuzeitlichen Waffengattungen können die Völker nicht beliebig oft in den
Krieg getrieben werden. Moderne Kriege sind Katastrophen physischen Ausrottung
und der wirtschaftlichen Ausblutung.“
Es ist November 1937, Hitler ist seit vier Jahren an der
Macht, das Wort „Krieg“ fällt immer häufiger, mit Begeisterung aber auch mit
Angst in der Stimme. In der Tschechoslowakei wächst die Spannung zwischen
Tschechen und Sudetendeutschen… und Wenzel Jaksch hält diese Ansprache. Wenzel
Jaksch ist Mitglied der sudetendeutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei und
tschechoslowakischer Abgeordneter.
„Wir sind ein Grenzvolk, im Kriegsfalle tausendmal mehr
gefährdet als die Bürger der Vereinigten Staaten. Das muss sich jeder
Sudetendeutsche vor Augen halten, der noch einen Funken Verantwortungsgefühl in
sich trägt. Noch ist es an der Zeit, das Gewissen und die Vernunft sprechen zu
lassen. Wohl sind einige Länder bereits von der Kriegsfurie heimgesucht, aber
der gesamteuropäische Krieg, der in einen Welt umspannenden Krieg münden müsste,
ist kein unabwendbares Schicksal.“
Der Krieg sei abwendbar, das war Jakschs Überzeugung.
Übrigens auch im Sudetenland wurde Jaksch vor allem durch seine eindeutige
Ablehnung Hitlers und dessen Politik bekannt. Zuerst bekannt, später aus dem
gleichen Grunde auch gehasst.
„Wir Sudetendeutschen haben sehr wenig von der
Aufrüstungskonjunktur und hätten noch weniger von einer Kriegswirtschaft zu
erwarten. Unsere Friedensindustrien profitieren jedoch wesentlich von der
langsamen wirtschaftlichen Erholung der Welt, die Exportziffern beweisen es. Die
Arbeitslosenziffern weisen einen erfreulichen Rückgang auf. Darüber soll
keineswegs übersehen werden, dass in den mehrheitlich deutschen Bezirken noch
immer gegen 125.000 Arbeitslose registriert werden. Diese ganz erhebliche
Restarbeitslosigkeit können wir aber nur im Rahmen einer neuen europäischen
Friedensentwicklung überwinden, die uns Raum für wirtschaftliche und soziale
Opferarbeit lässt. Ist einmal die Kriegsburg vom europäischen Kontinent
genommen, dann wird auch in unserem Grenzland neuer Handel und Wandel blühen.
Alle unsere Nachbarn brauchen den Frieden genauso lebend notwendig wie wir.“
Der Frieden war den europäischen Völkern nicht vergönnt –
das ist eine historische Tatsache. Nach dem Einmarsch der Nazis in die
Tschechoslowakei 1939 musste Jaksch das Land verlassen, zuerst in Richtung
Polen, dann nach London. Ein Schicksal, das viele teilten. Nach dem Krieg ist er
in die Tschechoslowakei, für deren Erhaltung er sich vor dem Krieg eingesetzt
hatte, nicht zurückgekehrt. Er lehnte die Politik Edvard Benešs ab.
Source: Czech Radio 7, Radio Prague
URL:
http://www.radio.cz/de/artikel/102800
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