[30.01.2008] - Tagesecho - Thomas Kirschner
Das Prag der Kindheit: Peter Härtling zu Gast im Prager Literaturhaus
Das Prager Literaturhaus deutschsprachiger Autoren hat in Kooperation mit
dem Hessischen Literaturrat zum zweiten Mal sein Residenzstipendium
vergeben. Nach dem Aufenthalt der jungen tschechischen Schriftstellerin
Radka Denemarková in Wiesbaden im vergangenen Herbst ist nun der deutsche
Gegenbesuch in Prag eingetroffen.
Zu Gast in Prag ist Peter Härtling, einer der renommiertesten Autoren der
deutschen Gegenwartsliteratur, und einer der wenigen, der es versteht, für
Kinder wie auch für Erwachsene zu schreiben. Mit dem Geburtsjahrgang 1933
erfüllt Härtling nicht mehr die klassische Vorstellung von einem
Stipendiaten, wie kaum ein anderer Autor steht er aber mit seiner Biografie
und seinen Büchern für die enge Verbindung zwischen dem deutschen Raum
und den böhmischen Ländern. Aufgewachsen ist Härtling in nämlich unter
anderem Olmütz und Brünn – die zwei Wochen in Tschechien sind damit
auch eine Rückkehr an Jugendorte.
„Ich wurde eingeladen von Hartmut Holzapfel vom Hessischen Literaturrat
mit dem schönen Satz ´Wollen Sie Gast des Literaturhauses in Prag sein?´
Und ich sagte: Ja, das interessiert mich, da noch einmal wieder
hinzukommen. Und so war ich auf einmal Stipendiat, auch wenn ich diese
Bezeichnung von Anfang an abgelehnt habe, denn ich möchte damit keinen
jungen Kolleginnen und Kollegen einen Platz wegnehmen. Ich sehe mich als
arbeitsamen Gast.“
Arbeit steckt in der Tat in dem straffen Programm des Aufenthaltes. Neben
Lesungen stehen für Peter Härtling zahlreiche Begegnungen und Gespräche
auf dem Plan – mit Schülern und Studenten genauso wie mit den Kindern
des tschechischen-deutschen Kindergartens. Dokumentiert und reflektiert
wird all das in einem Tagebuch, das parallel entsteht – nachzuverfolgen
auf den Internetseiten des Prager Literaturhauses. Bleibt daneben noch
Platz zum Schreiben?
„Nein, das ist absolut unmöglich. Ich schreibe das Tagebuch, und darüber
hinaus spannt mich das Programm ein – so wie ich zu Hause Papier in die
Schreibmaschine spanne. Hier in Prag da weiter zu schreiben, wo ich zu
Hause aufgehört habe, das kann ich nicht.“
Die Führungen und Spaziergänge durch die Stadt bieten für Peter
Härtling immerhin Gelegenheit, sich Erinnerungen hinzugeben –
Erinnerungen aus denen vielleicht später einmal eine Erzählung wird,
Erinnerungen an das vergangene, an das eigene Prag:
„Das ist das Prag der Kindheit. Wenn wir – meine Eltern, meine kleine
Schwester und ich – aus Dresden nach Brünn fuhren, zu unseren
Verwandten, und vor allem auch zu unseren tschechischen Verwandten, dann
fuhren wir immer über Prag. Und für mich war das beinahe eine Traumreise.
In Prag bin ich dann mitunter mit meinem Vater spazieren gegangen, Da war
die Stadt im übrigen viel grauer, als sie heute ist – heute hat sie
etwas Museal-frisches – wenn ´museal´ etwas Frisches sein kann…“
Source: Czech Radio 7, Radio Prague
URL: http://www.radio.cz/de/artikel/100204
© Copyright 1996, 2008 Radio Prague
All rights reserved.