(GR) Der größer gewordene Abstand zu den belastenden Ereignissen der gemeinsamen Geschichte und der zunehmend erkennbare Wille auf beiden Seiten, sich auch den verwerflichen Teilen des eigenen Handelns in der jüngeren Vergangenheit zuzuwenden, bietet für Tschechen und Sudetendeutsche insbesondere der jüngeren Generation die Chance, einen neuen Dialog zu beginnen. Dabei kann auf Kontaktebenen aufgebaut werden, die in den letzten Jahren durch persönliche Besuche, Jugendbegegnungen, Initiativen von Heimatkreisen, Städtepartnerschaften oder Akademieseminaren, aber auch durch das Prager Büro der Sudetendeutschen Landsmannschaft, den Sudetendeutschen Rat oder die Ackermann- und Seligergemeinden entstanden sind. Als Leitwort für derartige Begegnungen kann eine Resolution der Bundesversammlung der Sudetendeutschen Landsmannschaft vom 31. Januar 1988 dienen. Sie dokumentiert die ebenso grundsatztreue wie abwägende Position unserer Volksgruppenorganisation über die Jahrezehnte hinweg. Um ihre Aktualität auch im Hinblick auf das Gedenkjahr 2008 zu verdeutlichen, wurde den Jahreszahlen 1988 jeweils in kursiver Schrift die Ergänzung „(ebenso wie 2008)“ angefügt. „Die Bundesversammlung der Sudetendeutschen Landsmannschaft fordert alle Landsleute nachdrücklich auf, sich in diesem Jahr verstärkt zum Selbstbestimmungs- und Heimatrecht der sudetendeutschen Volksgruppe und zur historischen Wahrheit, Klarheit und Gerechtigkeit zu bekennen. 1988 (ebenso wie 2008) ist ein für den gesamten mitteleuropäischen Raum historisches Gedenkjahr. Besonders Sudetendeutsche, Tschechen und Slowaken werden an eine Reihe von Daten aus ihrer gemeinsam erlebten und erlittenen Geschichte erinnert: Daten des Bruches und der zeitweiligen Unterbrechung ihres jahrhundertelangen Miteinander- und Zusammenlebens. Böhmen, Mähren und Österr.-Schlesien waren bis zu den verhängnisvollen Ereignissen und der Vertreibung der Sudetendeutschen nach dem Zweiten Weltkrieg über Jahrhunderte hindurch Begegnungsraum von Deutschen und Tschechen. Ob diese Schicksalsgemeinschaft wiederhergestellt werden kann, ist eine entscheidende Frage für die künftige Friedensordnung in Europa. Vertreibungen von Menschen und Volksgruppen dürfen nicht das letzte Wort der Geschichte sein. Europa braucht eine dauerhafte befriedete Ordnung auf der Grundlage von Recht und Gerechtigkeit, historischer Wahrheit, Versöhnung und Ausgleich. Grundvoraussetzung hierfür ist die Verwirklichung des Heimat- und Selbstbestimmungsrechtes auch für die sudetendeutsche Volksgruppe. Deutsche, Tschechen und Slowaken sind gerade 1988 (ebenso wie 2008) aufgefordert, in der Bewältigung ihrer leidvollen Vergangenheit im 20. Jahrhundert ohne unbegründete Schuldzuweisung und Verschleierung eigenen Fehlverhaltens einen neuen Weg in die Zukunft zu eröffnen.“ |
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© Dr. Günter Reichert Vorsitzender des Heimatpolitischen Ausschusses in der Bundesversammlung der Sudetendeutschen Landsmannschaft |