[28.12.2005] - Tagesecho - Bára Procházková
Studie über Tschechen und Sudetendeutsche: Mehr Leute für eine
Entschuldigung
Zu einem weiter entfernten Nachbarn hat man meistens
ein besseres Verhältnis als zu dem Nachbarn unmittelbar neben an - so sagt man
zumindest. Deshalb hat sich das Soziologische Institut der Akademie der
Wissenschaften vor einigen Jahren zur Aufgabe gemacht, gerade im Grenzgebiet das
Verhältnis der Tschechen zu den deutschen Nachbarn zu beobachten. Bara
Prochazkova hat sich die neuesten Ergebnisse angeschaut.
Es würden weniger Tschechen den
Sudetendeutschen ihr Eigentum zurückgeben und weniger Leute sind davon
überzeugt, dass die Zusammenarbeit mit sudetendeutschen Organisationen die
Schwierigkeiten in den bilateralen Beziehungen lösen könnte. So die Ergebnisse
einer Meinungsumfrage unter der Bevölkerung auf der tschechischen Seite der
gemeinsamen Grenze bezüglich der Verhältnisse zu den Sudetendeutschen,
verglichen mit den Ergebnissen vor zwei Jahren. Die Ergebnisse sind positiv
ausgefallen, resümiert der Leiter des Forschungsteams "Tschechisches
Grenzgebiet", Vaclav Houzvicka:
"Bei den Ergebnissen ist für mich besonders ein Punkt in
positivem Sinne markant, und zwar ein gewisser Rückgang in der Bewertung der
konfliktreichen Vergangenheit, die regelmäßig als störendes Element in den
deutsch-tschechischen Beziehungen auftaucht. Ich nenne das so: Die Vergangenheit
bleibt, aber rückt immer weiter zurück. Die Untersuchungen zeigen, dass die
tschechische Gesellschaft die Vergangenheit irgendwie toleranter wahrnimmt und
sie nicht mehr als das Bedeutendste in den deutsch-tschechischen Beziehungen
betrachtet. Darin steckt die positive Botschaft."
6,8 Prozent der 818 befragten Tschechen aus dem Grenzland
ist der Meinung, dass die Rückgabe von Eigentum an die Sudetendeutschen ein Weg
sei, die Probleme im gegenseitigen Verhältnis zu lösen. Vor zwei Jahren
vertraten diese Meinung noch zwei Prozent mehr der Befragten, so Houzvicka:
"Die Rückgabe des Eigentums ist eine strittige Sache. Hier ist
interessant, dass die Bevölkerung im Grenzgebiet in dieser Frage wesentlich
toleranter war als die Leute im Binnenland. Insgesamt aber ist die Unterstützung
dieses Weges nach gewissen Schwankungen nach oben bedeutend gesunken."
Eine weitere Überraschung war in der Frage einer eventuellen
Entschuldigung gegenüber den Sudetendeutschen zu beobachten, verrät Vaclav
Houzvicka, der sich seit Jahren mit dem deutsch-tschechischen Verhältnis im
Grenzgebiet befasst:
"Die größte Überraschung ist in diesem Punkt Mitte der
90er Jahre passiert. Die letzten Ergebnisse bestätigen auch diesen langfristigen
Trend. Als der damalige Präsident Vaclav Havel eine Entschuldigung gegenüber den
deutschen Antifaschisten ausgesprochen hat, war die Unterstützung der
Öffentlichkeit nicht so groß, ungefähr ein Fünftel der Bevölkerung stellte sich
hinter Havel. Danach kam es zu einer Wende und heute sprechen sich zwei Drittel
der Bevölkerung für eine Entschuldigung aus. Heute sieht also die Mehrheit der
tschechischen Gesellschaft in einer Entschuldigung einen Ausweg aus dem
gegenseitigen Dilemma."
Source: Czech Radio 7, Radio Prague
URL:
http://www.radio.cz/de/artikel/74158
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