[11.12.2005] - - Gerald Schubert
Alles bleibt gut - Paroubek zu Besuch in Berlin
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Politische Gespräche über das tschechisch-deutsche Verhältnis gehen eigentlich fast nie ohne einen Blick auf die Vergangenheit über die Bühne. Zwar gibt es seit dem Jahr 1997 die Deutsch-Tschechische Erklärung, in denen beide Seiten versucht haben, eine gemeinsame Perspektive auf ihre Geschichte zu finden, und auch eine gemeinsame Perspektive auf ihre Zukunftshoffnungen. Dennoch: Wenn es konkret wird, dann hilft manchmal auch der allgemein gehaltene Text dieser Deklaration nur recht wenig. So ließ etwa der Amtsantritt der neuen deutschen Bundesregierung in Tschechien schnell die Frage aufkommen, ob das Kabinett Merkel
Eigentumsforderungen vertriebener Sudetendeutscher unterstützen werde. Doch die Kanzlerin beruhigt:
"Wir haben hier eine lange Tradition deutscher
Bundesregierungen, und in dieser Tradition befindet sich auch die Regierung, die
wir jetzt gebildet haben. Weder unter Bundeskanzler Helmut Kohl als auch unter
Bundeskanzler Gerhard Schröder hat die Regierung Eigentumsansprüche unterstützt.
Und genau diese Position wird auch die neue Bundesregierung haben."
An dem umstrittenen
"Zentrum gegen Vertreibungen", das in Berlin entstehen soll, will Merkel aber festhalten. In Tschechien, aber vor allem in Polen war zuvor die Sorge laut geworden, dass dieses Zentrum die Themen Vertreibung und "ethnische Säuberung" zu sehr aus sudetendeutscher Sicht wahrnehmen würde. Vorangegangene Vertreibungen, wie etwa die der tschechischen Bevölkerung aus dem so genannten Sudetenland, würden dabei zu kurz kommen, so die Befürchtung. Merkel versucht auch hier Entwarnung zu geben:
"Was das Thema Zentrum gegen Vertreibungen anbelangt, so
haben wir in der Koalitionsvereinbarung festgelegt, dass wir ein sichtbares
Zeichen setzen wollen gegenüber einem Abschnitt der Geschichte, der für
Deutschland eine große Bedeutung hatte. Über zwölf Millionen Menschen sind
damals vertrieben und in Deutschland integriert worden. Aber ich möchte ganz
klar dazusagen, dass wir das niemals als Relativierung unserer Geschichte
betrachten werden. Wir kennen unsere Verantwortung, und genau darauf muss in der
Diskussion geachtet werden. Wir versuchen das Ganze in einen europäischen
Kontext einzubetten. In diesem Sinne werden wir tätig werden, aber eben ganz
klar im Sinne einer Gesamtbetachtung und der Verantwortung für unsere
Geschichte."
Ganz vom Tisch dürfte das Thema "Zentrum gegen
Vertreibungen" damit jedoch nicht sein. Premierminister Jiri Paroubek über die
Wahrnehmung des geplanten Zentrums in der tschechischen Öffentlichkeit:
"Ich habe der Bundeskanzlerin gesagt, dass diese Frage in
Tschechien sogar in gemäßigten patriotischen Kreisen ein - wenn auch schon eher
profan gewordenes - Thema ist. Ganz zu schweigen von den nationalistischeren
Teilen der tschechischen Öffentlichkeit. So gesehen glaube ich nicht, dass
dieses Zentrum für die politische Szene Tschechiens besonders produktiv
wäre."
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Source: Czech Radio 7, Radio Prague
URL:
http://www.radio.cz/de/artikel/73568
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