[22.08.2005] - Tagesecho - Gerald Schubert
Geste an deutsche Antifaschisten: Kabinettsbeschluss dürfte
unmittelbar bevorstehen
Die tschechische Regierung könnte bereits am kommenden
Mittwoch über die Versöhnungsgeste gegenüber deutschen Antifaschisten beraten,
die in letzter Zeit wieder einmal heftig diskutiert wurde. Gerald Schubert fasst
die jüngsten Entwicklungen zusammen:
Der Gedanke, eine Versöhnungsgeste an Deutsche
zu richten, begleitet die tschechische Politik nun schon seit geraumer Zeit. So
hatte etwa bereits der ehemalige Vizepremier Petr Mares an einem entsprechenden
Plan gefeilt. Dieser wäre mit Entschädigungszahlungen an Deutsche verbunden
gewesen, die noch heute in Tschechien leben und nach dem Krieg hierzulande
Zwangsarbeit leisten mussten. Der politische Konsens war damals nicht
ausreichend, das Vorhaben wurde niemals umgesetzt.
Der derzeitige Premierminister Jiri Paroubek hat das Thema
bereits vor einigen Wochen erneut auf die Tagesordnung gebracht. Am Sonntag
konkretisierte er im Tschechischen Fernsehen seinen Vorschlag, der sich von dem
einstigen Mares-Plan in wesentlichen Punkten unterscheidet:
"Es handelt sich um eine Würdigung jener deutschen Bürger
der ehemaligen Tschechoslowakei, die antifaschistisch aufgetreten sind und
während des Zweiten Weltkriegs oder davor vom nazistischen Regime verfolgt
wurden. Von der Mehrheit der tschechischen Bevölkerung wurden sie nach dem Ende
des Krieges nicht entsprechend gewürdigt."
Mit Geldzahlungen soll die Geste nicht verbunden sein. Eine
formelle Regierungserklärung aber soll unmissverständlich klar machen, dass die
heutige Tschechische Republik auch deutschen Antifaschisten Dank und Anerkennung
schuldet.
Mit
dem österreichischen Kanzler Wolfgang Schüssel hatte Paroubek sein Vorhaben
bereits anlässlich seines Wienbesuches Mitte Juli abgesprochen, mit Gerhard
Schröder will er am Donnerstag telefonisch darüber reden.
Bisher waren die Reaktionen aus dem Ausland weitgehend
positiv. Lediglich die Sudetendeutsche Landsmannschaft Österreichs (SLÖ) hält
den Plan für einen "diplomatischen Trick", der die Sudetendeutschen spalten
soll.
Und die Reaktionen in Tschechien? Aus dem sozialliberalen
Regierungslager gab es positive Stimmen, nur die oppositionelle Demokratische
Bürgerpartei (ODS) ist gegen eine Geste an die deutschen Antifaschisten. Der
ODS-Ehrenvorsitzende, Staatspräsident Vaclav Klaus, meint gar, Paroubek habe den
Verstand verloren.
Am Mittwoch will die Regierung in Prag über die Geste
beraten. Paroubek sagte am Sonntag, er sei sich der Zustimmung seines Kabinetts
hundertprozentig gewiss. Die Geste richte sich an Menschen, die dem
tschechoslowakischen Staat unter allen Umständen treu geblieben waren, und sei
daher legitim. Auch wenn es keine finanzielle Entschädigung geben soll, so
könnte die Regierung außerdem etwa 30 Millionen Kronen, umgerechnet eine Million
Euro, zur Dokumentation von Einzelschicksalen deutscher Antifaschisten
aufwenden, sagte Paroubek.
Source: Czech Radio 7, Radio Prague
URL:
http://www.radio.cz/de/artikel/69853
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