[01.08.2005] - Tagesecho - Silja Schultheis
Usti nad Labem bedauert offiziell Nachkriegsmassaker an
Deutschen
60 Jahre nach Kriegsende hat die nordböhmische Stadt
Usti nad Labem/Aussig am Sonntag erstmals offiziell das Massaker an deutschen
Bewohnern der Stadt bedauert, zu dem es am 31. Juli 1945, gekommen war. Mehr
dazu von Silja Schultheis:
Der Krieg war längst vorbei, als am
31. Juli 1945 in Usti nad Labem/Aussig ein Massaker an deutschen Bewohnern
begann, dem mindestens 50 Menschen zum Opfer fielen. Viele Opfer wurden von der
Edvard Benes Brücke in die Elbe geworfen, ihre Leichen später auf deutscher
Seite geborgen. Die Täter wurden nie bestraft. Eben auf jener Edvard Benes
Brücke enthüllte am Sonntag in Anwesenheit internationaler Politiker und
Vertreter tschechisch-deutscher Organisationen der Aussiger Oberbürgermeister
Petr Gandalovic eine Gedenktafel. Nicht die Ursache und Wirkung von Krieg und
Nachkriegsereignissen solle dadurch relativiert, sondern die unnötigen Opfer
gewürdigt werden.
Vor zehn Jahren wäre ein solcher Schritt, der von
sudetendeutschen Verbänden in Deutschland und Österreich begrüßt wurde, bei der
tschechischen Opposition jedoch auf Kritik stieß, nicht möglich gewesen,
erinnert sich der Aussiger Historiker Dr. Vladimir Kaiser. Damals hätten
extremistische Gruppierungen gedroht, einen Pietätsakt für sudetendeutsche Opfer
zu stören. Die Mehrheit der Aussiger Bevölkerung hingegen war auch damals längst
schon reif für einen solchen Schritt gewesen. Mit der vom tschechischen Kabinett
geplanten humanitären Geste gegenüber sudetendeutschen Antifaschisten stehe er
allerdings in keinerlei Zusammenhang, so Kaiser:
"Die Bürger von Usti brauchen keine Versöhnung. Wir hatten schon früher, auch schon vor der Wende unter den Deutschen, auch den Sudetendeutschen sehr gute Freunde und Mitarbeiter und da brauchen wir nicht diese Versöhnungsakte."
Dass Versöhnung in Usti auch auf politischer Ebene alles
andere als ein Fremdwort mehr ist, habe auch die Abstimmung des Stadtrates über
die Errichtung der Gedenktafel gezeigt:
"Das waren zehn Stimmen dafür, keine dagegen."
Insbesondere die jüngere Generation hat nach Meinung des
Historikers Vladimir Kaiser heute einen unbelasteten und durchaus pragmatischen
Zugang zu den damaligen Ereignissen, der jenseits von symbolischen Gesten liegt:
Entscheidend sei es, historische Ereignisse zu erforschen und publik zu machen.
Dieses Ziel soll auch ein "Museum der Deutschen in Böhmen" verfolgen, das in
Usti errichtet werden soll.
Vor allem aber sollten Ereignisse wie das Massaker in Aussig
am 31. Juli 1945 ein ausdrücklicher Appell an die Zivilcourage jedes Einzelnen
sein, betont der Historiker Vladimir Kaiser aus dem Stadtarchiv Usti nad Labem:
"Wenn es zu einer ähnlichen Politik, zu ähnlichen
Ideologien kommt, die zu dieser Gewalt führten - und das ist z.B.
Nationalsozialismus oder extremer Kommunismus oder andere Regime - dann müssen
wir laut schreien dagegen."
Source: Czech Radio 7, Radio Prague
URL:
http://www.radio.cz/de/artikel/69148
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