[22.07.2005] - Tagesecho - Gerald Schubert
Paroubek bespricht Würdigung deutscher Antifaschisten auch mit
polnischem Regierungschef
Der polnische Premierminister Marek Belka hat am
Donnerstag Prag besucht. Eines der Themen seiner Gespräche mit dem tschechischen
Regierungschef Jirí Paroubek war die in letzter Zeit viel diskutierte Geste
gegenüber sudetendeutschen Antifaschisten. Gerald Schubert berichtet:
Premierminister
Paroubek hat seinen Vorschlag einer Geste gegenüber jenen Deutschen, die sich
einst als tschechoslowakische Staatsbürger für den Erhalt einer demokratischen
Tschechoslowakei eingesetzt hatten, auch bereits mit seinem slowakischen
Amtskollegen Mikulás Dzurinda besprochen. Dieser reagierte negativ und wollte
lieber nicht in die Vergangenheit blicken. Für Paroubek aber ist eine solche
Geste eine "Frage des Anstands", wie er jüngst gegenüber einer österreichischen
Tageszeitung sagte.
Als er am Donnerstag voriger Woche in Wien zu Gast war, da
kam das Thema abermals auf den Tisch. Vom österreichischen Kanzler Wolfgang
Schüssel gab es Lob: Es sei das erste Mal, dass hier vom Prinzip der
Kollektivschuld abgegangen werde, sagte Schüssel. Und das sei zu begrüßen.
Der polnische Premier Marek Belka ist nun der dritte
Regierungschef, mit dem Paroubek sein Vorhaben konsultiert hat. Belka
bezeichnete den Plan als "mutigen und wertvollen Schritt". Gegenüber dem
Tschechischen Fernsehen fügte Paroubek nach dem Treffen jedoch hinzu:
"Sollte es wieder Exzesse geben, wie etwa die von Stoiber
in Nürnberg, dann werden wir uns mit Polen auf eine gemeinsame Vorgehensweise
einigen."
Der
CDU-Vorsitzende Edmund Stoiber hatte während des Pfingsttreffens der
Sudetendeutschen in Nürnberg die tschechische Regierung scharf kritisiert. Die
so genannten Benes-Dekrete etwa, die nach dem Zweiten Weltkrieg unter anderem
die Grundlage für die Enteignung von Deutschen gebildet hatten, bezeichnete
Stoiber als offene Wunde Europas, die auch in Zukunft ein Thema in Bayern und
ganz Deutschland bleiben werde.
Paroubeks Vorschlag einer Geste für sudetendeutsche
Antifaschisten wurde jedoch mittlerweile auch vom deutschen Bund der
Vertriebenen gelobt. "Von seiner Seite aus ist es sehr mutig, dieses Thema
überhaupt anzupacken. Wenn tschechische Widerstandskämpfer geehrt werden, warum
sollen dann nicht auch sudetendeutsche Widerstandskämpfer geehrt werden",
sagte die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, Erika Steinbach, gegenüber
der in Dresden erscheinenden "Sächsischen Zeitung".
Auch über die Form der von Premierminister Paroubek
geplanten Geste wurden inzwischen Einzelheiten bekannt. Demnach wolle das
sozialliberale Kabinett bis Ende August in einer Regierungserklärung den Einsatz
bestimmter Antifaschisten würdigen. Geldzahlungen schloss Paroubek aus: Dieser
Weg sei "zu kontrovers" und könne Forderungen weiterer Gruppen nach sich ziehen,
so Paroubek.
Source: Czech Radio 7, Radio Prague
URL:
http://www.radio.cz/de/artikel/68815
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