[13.07.2005] - Tagesecho - Gerald Schubert
Entschädigung für sudetendeutsche Antifaschisten? Aufgeregte Debatte über
Vorstoß des Premierministers
Auf den Vorstoß des tschechischen Premierministers Jirí Paroubek, der
einmal mehr die Frage nach einer eventuellen Entschädigung
sudetendeutscher Antifaschisten auf den Tisch gelegt hat, gibt es erste
Reaktionen. Und zwar sowohl von tschechischer, als auch von deutscher und
österreichischer Seite. Gerald Schubert berichtet:
Das Thema ist nicht neu. Dennoch scheint Premierminister Jirí Paroubek in
ein Wespennest gestochen zu haben, als er am Montag laut über eine
symbolische Entschädigung für sudetendeutsche Antifaschisten nachdachte.
Also über eine Geste gegenüber Deutschen, die sich im Zusammenhang mit der
einstigen nationalsozialistischen Besatzung für den Erhalt einer
demokratischen Tschechoslowakei eingesetzt hatten. Wer genau in den Genuss
einer solchen Entschädigung kommen würde, und wie diese konkret aussehen
soll, das ist derzeit noch gar nicht klar. Und doch erhoben sich bereits
viele, zum Teil recht kontroverse Stimmen. Tomás Kafka, den
Co-Vorsitzenden des Deutsch-tschechischen Zukunftsfonds, hat das nicht
überrascht:
"Immer, wenn eine humanitäre Geste politisiert wird, kommen
irgendwelche zusätzliche Faktoren hinzu. Einem erscheint die Geste dann
übertrieben, dem anderen wiederum geht sie nicht weit genug. Das zeigt
sich offenbar auch in diesem Fall."
Wie sahen sie also aus, die Reaktionen? Die Regierungspartner des
Sozialdemokraten Paroubek, also die Christdemokraten und die Liberalen,
zeigen sich prinzipiell einverstanden. Die oppositionellen Kommunisten
wollen nur sehr vorsichtig an die Sache herangehen. Und die ebenfalls
oppositionellen konservativen Bürgerdemokraten sind gegen eine solche
Geste. Staatspräsident Václav Klaus sprach gar von einem
"außerordentlich unglücklichen und außerordentlich gefährlichen
Schritt" und vom "Öffnen der Büchse der Pandora".
Bereits frühere Initiativen für eine Versöhnungsgeste waren am zum Teil
heftigen innenpolitischen Widerstand gescheitert. So wollte etwa der
ehemalige Vizepremier Petr Mares jenen Deutschen einen kleineren
Geldbetrag zukommen lassen, die heute noch in Tschechien leben und nach
dem Zweiten Weltkrieg Repressionen ausgesetzt waren. Tomás Kafka vom
Deutsch-tschechischen Zukunftsfonds:
"Wenn es um Geld geht, dann wird das immer als eine sehr sensible
Angelegenheit wahrgenommen. Das heißt, dem Geld wird eine große Bedeutung
beigemessen. Andererseits sagt man aber auch, dass Geld in der
Vergangenheit erlittenes Unrecht niemals aufwiegen kann."
Jenseits der tschechischen Grenze waren die Reaktionen auf Paroubeks
Vorschlag geteilt. Der deutsche Bund der Vertriebenen etwa würde eine
Geste willkommen heißen, diese solle sich aber auf einen weiteren Kreis
von Personen beziehen. Die Sudetendeutsche Landsmannschaft Österreichs
hingegen hält den Vorschlag Paroubeks für einen "diplomatischen
Trick" und den Versuch, die "Sudetendeutschen zu spalten".
Österreichischer Gesprächspartner Paroubeks ist jedoch Kanzler Wolfgang
Schüssel. Ein Thema für Paroubeks Wienbesuch am Donnerstag steht somit
bereits fest.
Source: Czech Radio 7, Radio Prague
URL: http://www.radio.cz/de/artikel/68489
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