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Ostern 2005
"Wer an Ostern glaubt, kann nicht verzweifeln“. Diesen markanten Satz hat uns der evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer, der im April 1945 - vor 60 Jahren - im Konzentrationslager Flossenbürg getötet wurde, aufgezeichnet. Unwillkürlich fragt man sich: Wie kann ein Mensch, der in Kerkerhaft sitzt, geknechtet, verspottet, gefesselt ist, solche lebensbejahende Worte niederschreiben? Was für Erlebnisse, Erfahrungen und Gedankengänge haben ihn hierzu gebracht? Ich bin sicher, daß ihn seine Auseinandersetzung mit dem Leben Jesu zu dieser Erkenntnis gebracht hat.
"Wer an Ostern glaubt, kann nicht verzweifeln". Wie viele Menschen verzweifeln in der Not, in der Bedrängnis, in der Ungerechtigkeit der politischen Verhältnisse. Und wie viele verzweifeln angesichts der Verbrechen und Katastrophen. |
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Viele von uns waren vor 60 Jahren in den Stunden der Vertreibung, der Flucht, der Entwürdigung und der Bedrängnis in ähnlicher Situation. Doch die Stunden, ja Wochen und Monate, der Qualen und des Leidens, der Niedergeschlagenheit und Betrübnis wurden durchlebt im Glauben an Gott, der seinen Sohn unseren Lebensweg gehen ließ.
Den Schrei am Kreuz: "Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen"? haben wir uns zu eigen gemacht. Auf verschiedene Arten haben wir das Kreuz, unser Kreuz der Heimatlosigkeit angenommen und getragen. Und so wurde das Kreuz für uns zum Zeichen der Hoffnung, weil es uns stets zum Neubeginn führt. Das Lebenskreuz auf sich nehmen und glauben, daß im Kreuz Heil ist, das haben meine Vorgänger im Amt als Vorsitzende des Sudetendeutschen Priesterwerkes immer wieder verkündet. Das fällt heute vielen Menschen schwer. Zu glauben, daß Gott da ist, daß Gott mich liebt, ja mit mir geht, will uns nicht so einfach in den Kopf, denn ach, da müßte doch so vieles anders sein in unserer Welt und Zeit. Auch heute, 60 Jahre nach unserer Vertreibung, leiden viele von uns an dem erlittenen Unrecht. Viele Herzen sind leider immer noch verhärtet und viele Wunden immer noch offen. Menschlich gesehen ist so vieles verständlich. Doch als Christen, die in diesen Tagen das Leiden und Sterben Jesu betrachten und feiern, sollten wir uns sagen lassen, daß Gottes Wege andere sind als unsere. Und beim Schauen aufs Kreuz sollte uns klar werden, daß Gott nicht einmal seinen eigenen Sohn verschont hat. Das heißt nicht, da Unrecht Recht ist, doch als Glaubender muß ich in Betracht ziehen, daß Christus nicht wegen seiner Sünden den Kreuzestod erlitten hat, sondern ihn für andere und für uns auf sich nahm und durch diesen Tod uns Heil zuteil wurde. Der Tod am Kreuz wurde somit zum Schlüssel für das Leben. Durch diese Erlösungstat bietet Gott allen Menschen Frieden und Versöhnung an. Tod und Auferstehung feiern wir stets von neuem, wenn wir uns zur Feier der Eucharistie versammeln. Und gerade in diesem Jahr sollte die Feier der hl. Messe auch von uns mehr Beachtung und Bedeutung erleben. Papst Johannes Paul II. hat ja dieses Jahr der Eucharistie gewidmet und lädt uns ein: "Christus steht in der Tat nicht nur im Zentrum der Kirchengeschichte, sondern auch der Menschheitsgeschichte. In ihm wird alles eins (vgl. Eph 1,10; Kol 1,15-20). In ihm, dem fleischgewordenen Wort, klärt sich nicht nur das Geheimnis Gottes auf, sondern das Geheimnis des Menschen selbst. In ihm findet der Mensch Erlösung und Vollendung" (aus: Mane Nobiscum Domine). "Wer an Ostern glaubt, kann nicht verzweifeln." Doch was heißt: "An Ostern glauben"? Von der Begegnung der Jünger mit dem auferstandenen Herrn lebt deren Glaube. Und dieser Glaube war so stark, daß sie alle Furcht ablegten, daß sie Zeugnis gaben und sogar den Tod als Blutzeugen nicht scheuten. Von diesem Glauben und den späteren Zeugen lebt auch unser Glaube. Diesem Glauben könnte man vom Verstand und Willen her seine Zustimmung geben. Aber damit er die Kraft zur Neuheit des Lebens gibt, müssen wir unser Herz und unser ganzes Sein in ihn hineingeben. Wenn ich mich frage, was die Osterbotschaft so dauerhaft macht, daß wir uns jedes Jahr neu mit ihr beschäftigen und feiern, dann liegt der Grund für mich darin, daß diese Botschaft dem Tod und dem Leiden nicht ausweicht. Im Tod unseres Herrn ist die große Wende herbeigeführt, die zum Glauben einlädt. Er hat in seinem Tod den Tod für alle Menschen überwunden. Und dadurch hat er die Angst in Freude verwandelt, den Zweifel zerstreut und dem Glauben die Chance gegeben, ihm - gleich seinen Jüngern - zu begegnen. "Was ihr dem geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan". Liebe Landsleute, die Zeit heilt Wunden, gewiß, doch der Glaube kann Berge versetzen, wenn er in mir lebendig ist. Ich muß es nur wagen, Ihm, dem auferstandenen Herrn, entgegen zu gehen. In der Begegnung mit Ihm, schwinden die Zweifel, werden Kräfte zum Handeln frei, gewinnt das Leben an Perspektiven, beginnt das Fest der Freude. Dass das Osterfest Ihnen Ihre Zweifel nehme und den Glauben an unseren auferstandenen Herrn stärke wünsche und erbete ich Ihnen innig. Ihr ![]() P. Norbert Schlegel Visitator für die Sudetendeutschen und Vorsitzender des Sudetendeutschen Priesterwerkes |
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