Tagesecho Drama über die Sudetengebiete: Juraj Herz´ Film „Habermann“ läuft an

07-10-2010 14:38 | Till Janzer

Der Film „Habermann“ ist die erste tschechisch-deutsch-österreichische Koproduktion zum Thema Krieg und Vertreibung. Noch vor seinem Kinostart ist der Film im Januar beim Bayerischen Filmpreis ausgezeichnet worden. So erhielt der in der Slowakei geborene tschechische Regisseur Juraj Herz den Preis für die beste Regie und der Habermann-Darsteller Mark Waschke den Preis als bester Schauspieler. Am Donnerstag läuft der Film nun in Tschechien an, im November kommt er auch in die deutschen Kinos.

Juraj HerzJuraj Herz Es ist ein hartes Drama, das Juraj Herz gefilmt hat. Im Mittelpunkt der Geschichte steht der deutschstämmige Kleinindustrielle Habermann und seine Familie. Verheiratet ist er mit einer Tschechin, die jüdische Wurzeln hat. In dem kleinen Ort in den Sudetengebieten, in dem Habermann eine moderne Mühle betreibt, sind die Grenzen zwischen Tschechen und Deutschen zunächst fließend. Doch dies ändert sich durch die deutsche Okkupation, den Zweiten Weltkrieg und die Vertreibung. Altmeister Herz entwirft in seinem Film ein Sittenbild des Ortes aus Neid, Verrat, Hass und Gewalt, in das auch die Habermanns hineingerissen werden.

Foto: BontonFoto: Bonton Besetzt ist das Drama mit hochkarätigen Darstellern wie Mark Waschke als Habermann, Hannah Herzsprung als seine Frau Jana, Karel Roden als Habermanns Freund Březina und Ben Becker als SS-Mann Koslowski.

Obwohl der Streifen beim Bayerischen Filmpreis absahnte, sind die Kritiken in Tschechien und Deutschland bisher eher zurückhaltend. Bei den Besuchern der Vorpremiere beim Prager Filmfest kam „Habermann“ indes gut an:

„Es ist ein sehr anspruchsvoller Film, der eine schwere Zeit zeigt. Es ist wichtig, dass solche Filme gedreht werden, damit diese Zeit nicht in Vergessenheit gerät. Ich glaube, es ist ein sehr guter Film, das war vom Regisseur auch zu erwarten“, so eine junge Frau.

Karel Roden und Franziska Weisz (Foto: www.habermannuvmlyn.cz)Karel Roden und Franziska Weisz (Foto: www.habermannuvmlyn.cz) Ein Mann mittleren Alters meint:

„Vor allem Karel Roden hat hervorragend gespielt. Ich denke, es ist ein harter Film, aber die Wirklichkeit war noch härter. Für mich war es zudem eine sehr emotionale Angelegenheit, ich komme selbst aus den Sudetengebieten, bin in Děčín geboren.“

Bei der Vorpremiere im Prager Kino Lucerna zugegen war zudem die österreichische Schauspielerin Franziska Weisz. Sie ist in einer Nebenrolle zu sehen, als Marta Březinová. Sie ist also die Frau des Tschechen, den Karel Roden spielt, und der Habermanns bester Freund ist. Weisz spielt eine Sudetendeutsche und Regisseur Juraj Herz hat sie damit auf die Wurzeln ihrer eigenen Familie gestoßen. Über die Zusammenarbeit mit Herz hat die junge Schauspielerin nur lobende Worte:

Foto: BontonFoto: Bonton „Es war fantastisch. Ich habe mich von Anfang an richtig gut mit ihm verstanden. Wir haben uns in Berlin getroffen und haben einfach nur drüber gesprochen. Meine Großeltern waren Sudetendeutsche, und er hat mir seine Sicht der Dinge erzählt, er war als Kind ja im KZ. Der Mann ist ein Lexikon, er kann einfach erzählen. Und er ist ein sehr angenehmer Regisseur, er weiß ganz genau, was er will, macht es aber sehr humorvoll und locker. Er hat einfach schon so viele Filme gemacht, er muss jetzt nicht einfach noch einmal das Rad neu erfinden, er weiß einfach, wie es geht.“

Franziska WeiszFranziska Weisz Der Film „Habermann“ ist eine tschechisch-deutsch-österreichische Koproduktion auch in der Besetzung. Doch von Verständigungsproblemen beim Dreh keine Spur, wie Franziska Weisz versichert:

„Am Set haben alle Englisch gesprochen, beim Drehen selbst waren wir babylonisch, das heißt zum Beispiel die Eheszenen zwischen Karel Roden und mir waren so, dass er Tschechisch sprach und ich Deutsch. Das ist beim Drehen extrem lustig, denn er kann mir da alles Mögliche erzählen und ich gebe halt meine deutsche Antwort darauf. Man weiß ja, was im Drehbuch steht. Aber Juraj Herz spricht perfekt Deutsch, und das war das Wichtigste, dass er genau kommunizieren konnte, worauf es in der Szene ankommt.“

Kritiken aus tschechischen Zeitungen:


Gestern hat es angefangen und heute wurde es fortgesetzt, die ersten Besprechungen des Films „Habermann“ nach der tschechischen Kinopremiere:

Metro 06. 10. 2010, Seiten 12 und 13:
Habermanns Mühle von Juraj Herz erinnert an Trauma der Geschichte Böhmens
Eine ziemlich lange und ausführliche Beschreibung des Films von Aleš Mečíř.
Der Film hatte zwar sehr gute Absichten, wie Autor schreibt: „Die Stereotypen über die bösen Deutschen und guten Tschechen zu zerstören“, aber er hat alle Möglichkeiten dazu nicht benutzt, bzw. „er blieb in der Gefangenschaft gut ausprobierter Filmvorgänge“.
Einige Emotionen der Schauspieler werden im Film angeblich übertrieben. Und: „Das Thema über die Nachkriegsvertreibung der Deutschen Böhmens ist eine anständig abgeführte Arbeit, aber dem Film schadet der Versuch zu viele Themen zu beinhalten“.
Právo 07. 10. 2010, Seite 13:

 Solider Blick von Herz in die Geschichte
Věra Mišková hat eher lobende Worte für den Film. Ihr nach weiß Herz wohl was vor dem Jahr 1945 passiert ist, er verdrängt weder die Schrecken des Krieges noch den Holocaust aus den Zusammenhängen. Er entschuldigt die Entgeltung des Bösens für das Böse tatsächlich nicht und nicht mal damals nach dem Zweiten Weltkrieg musste man zu den Grausamkeiten zugreifen.
Der Film habe nichts absolut Neues gebracht, aber er ist doch überraschend gut.
Lidové noviny 07. 10. 2010 Seite 8:

 Unnachsichtiger Strick der Geschichte
So charakterisiert den Film in seiner Besprechung Vojtěch Rynda.
„Die Debatte über die Gewalt an den Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg sei gerade voll im Gange“, schreibt Autor.

„Der Film von Herz wird eine ganze Reihe von ablehnenden Reaktionen hervorrufen. Das ändert allerdings nichts an der Tatsache, dass wir diesen Film verzweifelt gebraucht haben- und dass der Film über Habermann hervorragend ist, geschweige von dem Drama“.
Die Schauspieler werden von Rynda ebenso gelobt, allerdings die Geschichte bräuchte mehr Zeit als die 104 Minuten.

 Die Menschen werden wahrscheinlich die Tatsache kritisieren, dass der Regisseur Juraj Herz sich mit tatsächlichen Ereignissen bedient, aber die historischen Ereignisse sind anders verlaufen. Dann ist es aber nicht richtig, dass die Namen der Protagonisten nicht mal geändert wurden.

„Das alles ändert nichts an dem Eindruck den der Film hinterlassen hat. Vielleicht sind die Geschehnisse anders verlaufen, aber sie waren ähnlich. Es war die höchste Zeit, dass auch wir solche Resonanz auf der Leinwand zu sehen bekommen“.